“Journalistische Freiheit”

Am Donnerstag war ich mit einer Freundin auf meiner allerersten Friedensdemo. Es waren auch Reporter dort. Einer befragte uns und ich wurde fotografiert. Eher widerwillig stimmte ich nach eindringlicher Überredung einer Veröffentlichung zu.

Heute erschien ein “Zitat” von mir, das wie folgt lautet:

“Ich habe einfach Angst. Ich habe Angst, dass P. durchdreht. Er ist einfach total unberechenbar. Das ist das Problem. Er könnte sogar einen Atomkrieg auslösen mit seinem Verhalten. Ich bin auf der Friedenskundgebung um meine Ohnmacht zu bekämpfen. Die Lage der Menschen in der Ukraine bewegt mich sehr.”

Gesagt hatte ich jedoch:

“die gesamte Situation macht mir Angst. P. ist unberechenbar und das Ganze könnte eskalieren und einen Atomkrieg auslösen. Wir sind hier, um unsere Ohnmacht zu bekämpfen. Die Situation der Menschen in der Ukraine macht mich sehr betroffen.”

Zugegeben ähnlich, aber doch ganz anders. Vielleicht hatte der Reporter es wirklich so verstanden, ich unterstelle ihm jetzt kein absichtlich verfälschtes Zitat. Er hatte sich Stichworte notiert und es vermutlich einen Tag später so rekonstruiert. Es ist auch nur ein Provinzblatt und vermutlich haben das die Leute schon morgen wieder vergessen, was ich zumindest sehr hoffe. Nicht nur wegen des verfremdeten Textes, sondern weil ich auf dem Bild (das fotografisch super ist) recht unansehnlich ausschaue (wie man reinschaut, schaut man halt raus).

Dennoch macht es mich nachdenklich wie die Medienberichte grundsätzlich hinsichtlich ihrer Wahrhaftigkeit zu bewerten sind. Nicht nur in Hinblick auf offensichtliche “Fake News”, sondern auch auf fehlinterpretierte Interviews oder Berichte in den “großen” Medien. Gilt hier “die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen” oder gar “Wenn man die Hälfte glaubt, ist man noch immer angelogen!”? Ich hoffe, dass dem nicht so ist. Klar, bei einer Boulevardpresse mit 4 Buchstaben ist man selbst schuld, wenn man alles glaubt, aber wie sieht es mit den sogenannten “seriösen Medien” aus. Wird auch dort vieles “reisserischer” aufgemotzt um die Auflage zu steigern? Erfahren werden wir es wohl nie so genau.

Auch hier gilt wieder das Zitat: “Nächste Woche wird wieder eine andere Sau durchs Dorf getrieben”.

Der Glaube an das Gute

Der Glaube an das Gute wurde mir gestern zurück gegeben.

Hintergrund war der, dass meine Mutter bald Geburtstag hat. Eine Schnapszahl. Sie hat kürzlich eine antike Puppe erwähnt und ich dachte mir, dass das ein gutes Geschenk für sie wäre. Also hatte ich mich auf die Suche nach genau dieser Puppe gemacht und wurde bei einer Antiquitätenhändlerin im Internet fündig. Ich schrieb die Dame an, erläuterte ihr die Situation und wir wurden uns schnell über den Preis einig. Ich überwies das Geld im Voraus und sie versendete die Ware einen Tag später.

Gestern kam nicht nur die Puppe namens Christel bei mir an, sondern mit ihr auch noch ein Samtsessel, ein rotes paar Schuhe und ein Leinenkleid. Sie hatte eine Postkarte für mich beigefügt, sowie einen Geburtstagsbrief für meine Mama. Wie lieb ist dass denn? Ich war wirklich gerührt. Was für eine herzliche Geste.

Der Umgang prägt einen

Es ist normal, dass einen die Umgebung zu einem gewissen Grad prägt. Positiv und Negativ.

Es gibt Communities, die einem guttun, aufbauen und stützen und es gibt welche, wo man schon vom ersten Moment an weiss, dass man dort nicht hin gehört. Es ist immer unterschwellig das Gefühl da, fehl am Platz zu sein.

Ich habe in der Vergangenheit jahrelang an der Seite der “falschen” Menschen verbracht, sowohl beruflich, wie auch privat. Es war nicht ihre schuld, jedoch auch nicht die Meine.

Je älter ich werde, desto geringer wird meine Toleranzschwelle und ich kann mit “Schwund” leben. Früher war ich viel viel viel harmoniesüchtiger und wollte Menschen in meinem Umfeld halten, die nicht hinein gehörten. Bis ich eines Tages einen sehr realistisch anmutenden Traum hatte. Ich fuhr in einem Zug und das Abteil wurde immer leerer. Menschen stiegen aus. Manche warf ich sogar aus dem Abteil. Wenige blieben. Neue stiegen zu und ein paar nach kurzer Fahrt auch wieder aus. Die meisten der “Ausgestiegenen” mag ich noch immer, aber ich vermisse sie nicht. Ich denke auch sehr selten an sie. Niemals im Gram oder gar Hass. Ich wünsche ihnen alles Glück der Welt, bin aber dennoch froh, dass sie nicht mehr ständig um mich sind.

Inzwischen habe ich eine winzige Anzahl an Freunden (zwei davon schon seit Jahrzehnten) und einigen Bekannten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass aus den Bekannten Freunde werden, aber je älter ich werde, um so schwerer wird das. Es sind heute andere Anforderungen wichtig für eine Freundschaft und deren Erhalt als in jüngeren Jahren. Es sollten schon annähernd die gleichen Werte und Ansichten vorhanden sein. Das soll natürlich nicht so sein, dass sie mir immer nach dem Mund reden, das will ich auf keinen Fall, aber es sollte schon eine gemeinsame Wellenlänge vorhanden sein. Eine Art Grundgerüst ähnlicher  Weltansichten und auch Eigenschaften wie Loyalität, Verständnis und Zuverlässigkeit. Die Zeit wird zeigen, wer im Zug bleibt und wer aussteigt. Ich weiss schon jetzt, dass ich manche nur am Hauptbahnhof wiedersehen werde, wo ich ihnen aus dem Fenster heraus nett zuwinken werde, während sie in andere Züge einsteigen.

 

Falknerei, Zirkusse und co

Eine Bekannte wies mich vergangene Woche auf eine Falknerei hin, die auch Fotoshootings mit den dort lebenden Vögeln anbietet, quasi als Anregung für Shootingideen. Die Bilder sind zugegebenermaßen auch echt toll. Daraus entstand eine kleine Diskussion um das Für und Wider von Falknereien. Die Bekannte argumentierte, dass das Halten von Hunden, Katzen und Pferden auch nicht artgerecht ist. Das stimmt und auch den Hinweis, dass meine Katzen im “goldenen Käfig” leben, lasse ich zu. Das ist Fakt.

Dennoch sehe ich es bei einer Falknerei differenzierter. Die genannte Einrichtung ist sicher vorbildhaft und den Tieren geht es dort gut. Es sind und bleiben jedoch wilde Tiere. Im Gegensatz zu Hunden, Katzen und Pferden, die seit Jahrtausenden domestiziert wurden. Unsere Katzen hätten in der freien Natur dieselbe Überlebenschance, wie ich im Dschungel von Papua Neuguinea, nämlich Null. Ich gehe mit meinen Katzen auch nicht auf Beizjagd. Der Vergleich hinkt. Ein Pferd ist auch auf menschliche Obhut angewiesen, wenn es kein Wildpferd ist, das noch nie in Gefangenschaft gelebt hat. Bei Hunden ist es ähnlich. Es sind Hunde und keine Wölfe. Meine Katzen sind auch keine Wildkatzen sondern sehr verwöhnte Hauskatzen.

Selbst in den veganen Reihen gibt es Verfechter von “Artgerecht ist nur die Freiheit”. Allerdings sieht man ja selbst beim Wolf, dass ein harmonisches Miteinander mit den Menschen nicht einfach ist. Man stellt sich die “Freiheit” auch oft sehr verklärt vor. Ich habe schon Kastrationsaktionen in Streuner Kolonien mit durchgeführt. Die Katzen sind oft krank, nicht selten gibt es Inzest und ein “schönes Leben in Freiheit” sieht definitiv anders aus. In vielen ärmeren Gegenden der Welt gibt es neben Hunden und Katzen auch ausgesetzte Pferde die sich von Müll ernähren müssen, weil die ehemaligen Besitzer es sich nicht mehr leisten konnten, sie zu halten. Es ist ein täglicher Kampf ums Überleben und hat mit romantischer Freiheit rein gar nichts zu tun.

Gänzlich anders sieht es bei Raubvögeln aus. Auch wenn sie nicht mit drastischen Maßnahmen gezähmt wurden, sind es dennoch wilde Tiere und keine domestizierten Arten. Das ist für mich ok, wenn die Tiere gerettet und vom Menschen aufgezogen wurden, weil die Eltern starben und sie sonst gestorben wären. Es gibt ja viele Aufzucht- und Auffangstationen für Wildtiere. Wenn diese Tiere – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr aus gewildert werden können, ist das völlig ok, wenn sie in menschlicher Obhut leben.

Ich kenne eine junge Frau, die einen zu dünnen Igel aufgenommen hatte. Er wollte nie wieder von ihr weg und lebt nun schon seit Jahren bei ihr. Sie hatte versucht ihn auszuwildern, aber er kam immer wieder zurück und nun lebt er eben mit ihren Katzen im Garten. Solche Geschichten gibt es viele, auch mit Eichhörnchen, Waschbären, Raben, Bussarden, Falken etc. Das sind Mensch-Tier-Freundschaften, wo sich die Tiere freiwillig dazu entschieden haben bei ihren Menschen zu bleiben.

Bestimmt liebt der Falkner seine Tiere auch und sieht sie nicht nur als Gelderwerb. Vermutlich lieben auch viele Zirkusbesitzer oder Betreiber von Pferdeshows ihre Tiere genauso wie ich meine Katzen, dennoch ist es etwas anderes, wenn die Tiere Kunststücke vorführen müssen. Wenn das ein Tier gerne und freiwillig macht, ist es für mich auch ok, aber ich glaube, das sind die Wenigsten. Deshalb hinkt der Vergleich auch hier. Ja, meine Katzen leben auf 145 Quadratmeter und 16 Quadratmeter Außengehege obwohl sie in der Natur einen Radius von mehreren Kilometern hätten. Sie sind aber auch vor Verkehrsunfällen, Psychopaten und Diebstahl beschützt und müssen niemals Kunststücke aufführen, sondern können den lieben langen Tag tun und lassen, was immer sie möchten.

Irgendein schlauer Mensch sagte mal, dass man Tiere so behandeln soll, dass man im Falle eines Rollentauschs prima zurecht käme. Ich beneide meine Katzen oft um ihr “freies, selbstbestimmtes” Leben, das ich so gar nicht habe. Oder um es mit den Worten einer Freundin auszudrücken: “Wenn ich wiedergeboren werde, möchte ich als Katze bei Menschen wie Euch leben”.

Rückschau und Ausblick

2021 war – auch wenn man es vermuten könnte – nach meiner Definition kein Arschlochjahr. Arschlochjahre sind für mich Jahre, in denen der Tod mir geliebte Wesen nimmt. 2010, 20214, 2015, 2018 und 2020 waren solche Arschlochjahre. 2021 war nur von Corona bestimmt, aber nicht auch noch von Trauer und Schmerz. Abschied mussten wir dennoch nehmen. Wir mussten unseren Yoshi gehen lassen und ihm ein neues Zuhause suchen. Er und unsere Katzen Onya und Muffin haben absolut nicht zusammen gepasst. Mit Orpheus wäre es gegangen, aber mit Muffin und Onya niemals. Wir haben wirklich wirklich wirklich alles versucht um ihn behalten zu können. Umso glücklicher und dankbarer sind wir für die neuen Eltern von Yoshi. Ein wundervolles Paar, dass ihn liebt und nach Strich und Faden verwöhnt. Seit heute Nacht darf er auch bei ihnen im Bett schlafen.

Wir sind auch für Muffin dankbar, der im Februar zu uns kam und sofort zu uns passte. Er ist so ein drolliger kleiner Schatz. Ich kann schon gar nicht mehr gut schlafen, wenn er einmal NICHT in meinen Kniekehlen liegt. Dankbar bin ich auch für ein paar Kollegen, die das Arbeitsleben deutlich angenehmer machen.

So gesehen, war 2021 etwas ereignislos, aber kein generell beschissenes Jahr. Da gab es schon bei weitem schlimmere Jahre.

Was erhoffe ich mir von 2022? Wieder etwas mehr Normalität. Einen Hauch 2019 wäre nicht schlecht. Aber kann es ein Zurück überhaupt geben? Manchmal habe ich Angst, dass die Welt nie wieder “Normal” wird. Dass wir immer diese Masken tragen müssen und Abstand halten. Aber auf Dauer wird das gar nicht möglich sein. Menschen sind nun mal soziale Wesen. Wenn die Scheisse vorbei ist, wird es vielleicht wieder ins andere Extrem umschlagen. Vielleicht wird es dann wie in den Roaring Twenties des vergangenen Jahrhunderts sein, die auch auf eine Pandemie folgten. Allerdings auch auf einen Weltkrieg und einem weiteren vorausgingen. Wer weiss, vielleicht ist das die Chance für die Menschheit das Ruder nochmals herum zu reißen. Noch besteht Hoffnung.

Mein Vorsatz für 2022 ist, nur noch Second Hand Klamotten zu kaufen oder Stoff um Kleidung selbst zu nähen (ausser Unterwäsche, Nachtwäsche, Sportsachen, Socken, Bikinis und Schuhe – das muss für mich zwingend NEU sein und auch Schmuck tausche ich höchstens mit Freundinnen, das mag ich von fremden Menschen auch nicht gebraucht haben). Ich hoffe, es wird wieder viele Second Hand Märkte geben, damit ich nicht rückfällig werde. Klar gibt es Portale wie Vinted, aber das macht mir nicht so viel Spaß, wie auf einem richtigen Flohmarkt nach Schätzen zu stöbern. 2021 gab es nur zwei Flohmärkte, die waren dafür aber richtig toll und ich habe wirklich geniale Teile für wenig Geld erstanden. Der eine oder andere Fehlkauf war auch dabei, weil ich zu faul war, die Teile anzuprobieren, aber ich habe einfach andere Kleidungsstücke daraus genäht, bzw. ein Jumpsuit war so eng, dass ich ihn meiner Nichte geschenkt habe, weil ich echt nicht reingepasst habe. Ich hatte 3 private Tauschparties, die ebenfalls zu einer guten Ausbeute führten.

Kann sein, dass ich rückfällig werde, aber ich werde mich bemühen, so wenig wie möglich neu zu kaufen. Überhaupt generell ist mein Vorsatz Konsumverzicht. Wobei ich bei anderem Zeug sowieso recht zurückhaltend bin. Klamotten sind meine größte Schwäche. Ich bin eine Tussie, das ist schon wahr. Für Kosmetik gebe ich nicht viel Geld aus. Ok, ich kaufe schon hochwertige Pflegeprodukte, aber die halten auch lange. Ich versuche Plastik zu vermeiden. Meine Hautpflege ist in Glas oder in Dosen. Ich bin nicht perfekt und auch weit entfernt davon, aber ich versuche mehr und mehr dafür zu tun, unseren Planeten zu schützen.

Ich fürchte, es geht nicht nur mir so, sondern vielen Menschen. Konsum ist immer ein Ersatz für einen anderen Mangel. Ich glaube, es ist Selbstliebe. Deshalb werde ich Materielles so gut es geht einschränken und jeden Tag versuchen mich mehr zu lieben und auch MICH an erster Stelle zu setzen. Heute ist Tag 1 von Margit First. Das wird so Manchen in meinem Umfeld sauer aufstoßen und es wird wieder Schwund geben, aber auch neue Möglichkeiten und Gegebenheiten schaffen. Es bleibt spannend.

Verf…. W……

Jaja, vermutlich soll man das neue Jahr nicht mit fluchen beginnen, kann schon sein. Aber echt Leute, was stimmt mit der Menschheit nicht?

Obwohl es dieses Jahr offiziell keine Böller zu kaufen gab, war es nur geringfügig ruhiger als in “normalen Jahren”. Vom Feinstaub mal ganz abgesehen, werden Menschen und Tiere in Angst und Schrecken versetzt.

Wir waren extra bei unseren Katzen Zuhause geblieben. Das machen wir schon seit Jahren so, damit sie ruhiger sind. Trotz Musik und geschlossenen Jalousien, hörte es sich teilweise an, als ob direkt vor unserer Haustüre geböllert worden wäre (was nicht der Fall war, in unserer Strasse war alles ruhig, der Krach kam von weiter weg, hörte sich aber exakt so an, als ob es direkt neben uns wäre). Die Katzen legten die Ohren zurück und schauten erschrocken Richtung Tür. Es ging auch wieder eine gefühlte Ewigkeit. Mindestens jedoch eine Stunde.

Was ist so toll daran, einen Heidenkrach zu veranstalten und unnütz Geld in die Luft zu jagen? Wenn die was wollen, was Rauch erzeugt und ordentlich ballert, sollen sie doch mit dem Kiffen anfangen.

Im Jahr 2022 sollte es doch wirklich deutlich sein, dass wir nicht nur Mitten in einer (durch die Ausbeutung anderer Spezies entstandenen) Pandemie sind sondern auch eine Klimakrise haben. Wer das leugnet, ist schlichtweg ignorant. Ich bin so exorbitant alt, dass ich mich noch gut an Zentimeter hohen Schnee erinnern kann, den es oft mehrere Wochen lang hatte. Nicht nur mal eben einen Tag die Landschaft etwas oberflächlich mit Schnee bestäubt, sondern richtigen Schnee, der liegen blieb. Das gab es in den letzten 5 Jahren höchstens zwei Mal. In meiner Kindheit jedoch jeden Winter. Es gab in meiner Kindheit und Jugend auch deutlich mehr Insekten. Wenn man mit dem Auto fuhr, waren die Scheiben grundsätzlich voll mit Insekten oder wenn man mit dem Fahrrad unterwegs war und den Mund aufmachte, schluckte man unfreiwillig Fliegen. Das passiert heute nicht mehr, weil es kaum mehr Insekten gibt. Selbst die gemeine Stubenfliege oder Schnacken gibt es nicht mehr in dem Umfang wie früher. Weniger Insekten, weniger Vögel und Igel etc. Ein Teufelskreis.

Die Freiheit eines jeden Einzelnen hört immer dann auf, wenn andere zu Schaden kommen, was bei massiver Umwelt- und Lärmbelästigung definitiv zutrifft.

Die schrullige Alte

Jahrelang habe ich es verdrängt, aber inzwischen bin ich 54 und es ist klar: Ich werde älter. Keiner von uns wird jünger, wir alle altern. Das ist das Gute daran. Ich erschrecke regelmässig, wenn ich Menschen im Fernsehen oder im wahren Leben sehe, die ich früher toll fand und insgeheim erschrecke “Du meine Güte, ist die / der alt geworden”. So ging es mir vergangene Woche, als ich Gerhard Polt im Fernsehen sah. Klar, er ist ja auch schon fast 80, was hatte ich erwartet. Aber in meinem Kopf war er noch so, wie in “Man spricht deutsch”. Der Film stammt aus dem Jahr 1987. Damals war Gerhard Polt auch schon 45 und ich 20. Die Zeit verrinnt und wir ändern uns. Nicht nur unsere Körper. Ich merke, wie ich mich auch sonst verändere. Meine Geduld und Toleranz lässt nach. Vermutlich weil ich weiss, dass ich nicht mehr so viel Zeit übrig habe. Meine verbleibende Lebensspanne ist zu kurz für blöde Menschen. Ich muss nicht mehr “Everybody`s Darling” sein. Ich darf anecken. Ich bin quasi ein “Schrullige Alte” Azubi geworden. Ich bin nicht mehr die ganze Zeit lieb und nett. Ich kann jetzt durchaus auch mal anstrengend sein und ich tue das, was ich schon lange hätte tun sollen: Ich ziehe gesunde Grenzen. Ich werde – wenn ich es erlebe – irgendwann die schrullige Alte mit den Katzen. Mit dieser Vision im Hinterkopf verliert das Altern etwas seinen Schrecken, aber natürlich nicht ganz. In meinem Kopf bin ich noch immer die 28 Jährige, die ich war, nur nicht mehr so angepasst und harmoniesüchtig.

Man muss wirklich nicht alles mitmachen

Meine beste Freundin schenkte mir zum Geburtstag ein Buch über Mond Rituale. Es enthält schöne und interessante Kapitel, doch als ich auf Seite 34 angelangt war, kam das Blutmondritual. Dafür soll man sich etwas Menstruationsblut zwischen die Augenbrauen schmieren und es einige Zeit dort belassen, bevor man es wieder abwaschen kann. Wenn das jemand machen will: Feel free. Für mich fällt das in dieselbe Kategorie wie “Eigen-Urin-Behandlungen”. Nichts davon brauche ich.

Ich denke, dass es schon gut ist, wenn irgendwas den Körper verlässt und dann sollte es selbigem auch nicht mehr zugeführt werden. Wie gesagt, wenn das jemand als erstrebenswert ansieht, kann diejenige das gut und gerne machen, das ist mir gleich. Für mich ist der Ekelfaktor definitiv zu hoch.

Ich habe auch schon auf Insta gesehen, dass Frauen mit ihrem Menstruationsblut Bilder malen. Auch das finde ich ziemlich eklig. Wenn sich das jemand in die Bude hängen will, nur zu, aber ich würde es definitiv nicht tun.

Mich würde interessieren, ob diese “uralten Riten” wirklich so alt sind, oder ob uns unsere Vorfahren für verrückt erklären würden.

Wieso, weshalb, warum?

Zu was sind wir hier? Weshalb werden wir geboren? Was ist der Zweck unserer Leben? Gibt es einen großen Plan? Warum jetzt und hier? Worin besteht der Sinn des Ganzen?

Je älter ich werde, desto öfter stelle ich mir diese Fragen. Sind wir in einer Art Matrix und haben uns die Lebensumstände ausgesucht? Doch wozu? Um zu wachsen, um Erfahrungen zu machen oder einfach nur so?

Ist es der Zweck unserer Leben möglichst viel “gutes Karma” zu generieren? Unser Bewusstsein zu erweitern? Oder erleuchtet zu werden? Oder sollen wir einfach soviel Spass wie möglich haben?

Sind dann die Menschen, die zum Beispiel viel und oft Video Games zocken Spieler im Spiel? Sind wir in einer Simulation? Sowas wie eine universelle “Truman Show”? Müssen wir immer wieder Runden im Rad der Wiedergeburten drehen, bis wir irgendwas gelernt haben? Aber was? Zufriedenheit? Seelenfrieden? Spiritualität?

Oder ist alles nur willkürlich ohne Sinn, ohne Plan und ohne Zweck und danach ist das Spiel einfach vorbei und man verschwindet für immer? Daran mag ich nicht glauben, aber es ist auch nicht gänzlich auszuschließen. Das wäre aber wirklich extrem trostlos und ich glaube echt nicht daran.

Es muss “mehr” geben. Es kann nicht sein, dass da “Nichts” mehr ist. Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde. Ganz sicher. Was es ist, werden wir irgendwann erfahren und es wird so simpel sein, dass wir lachen werden.