18 Jahre später

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Zwischen diesen beiden Bildern liegen ziemlich exakt 18 Jahre. Das obere entstand im Frühling 2005 und das untere letzten Mittwoch. Ja klar, ich habe mich in 18 Jahren natürlich verändert und habe nun Stirn- und Lachfalten.

In der Serie “…and just like that” ist Carrie Bradshaw bei einem Schönheitschirurgen, der ihr anhand einer Computersimulation zeigt, was machbar wäre, sie zu verjüngen und sie sagt: “Ich erinnere mich an sie”, als sie das digital generierte, verjüngte Bild sieht. Sie entscheidet sich in der Serie gegen eine OP.

Auch ich erinnere mich an mein jüngeres Ich. An dem Tag, an dem das obere Bild entstand war ich sowas von unsicher und nicht in mir selbst ruhend. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass ich immer unsägliche Angst hatte, jemand könnte merken, dass ich damals schon 37 war, während viele in meinem Umfeld Mitte 20 waren.

Es merkte niemand. Ich weiss noch, wie die Leute an unserer Hochzeit hörbar erstaunt waren, als die Standesbeamtin mein Geburtsdatum vorlas. Es wusste kaum jemand, dass ich 12 Jahre älter bin als mein Mann.

Heute bin ich 55 und die meisten schätzen mich auf Anfang 40. Natürlich werde ich das Alter nicht immer aufhalten können, ich bin ja kein Vampir. Dennoch werde ich es solange wie möglich hinauszögern, “alt” auszusehen und ich bin mir sicher, dass es mir gelingen wird.

Doch das Aussehen ist zweitrangig. Viel wichtiger ist es, anderes zu lernen. Mich selbst mehr zu lieben, mir mehr zuzutrauen, mich an erste Stelle zu setzen. Ich bin nicht mehr das dünne, megahübsche, aber extrem unsichere Mädchen, das ihr Selbstvertrauen aus ihrem Aussehen zieht. Das funktioniert nicht mehr. Es wird keine Szenen mehr geben, in denen ich total verpeilt eine gesperrte Strasse entlang fahre und die Bauarbeiter mir sagen “Wenn man so ausschaut, darf man überall lang fahren”. Es passiert nur noch selten, dass ich irgendwo Getränke “gesponsert” bekomme und wenn ich in einen Club gehen würde, müsste ich Eintritt zahlen. Das war früher nicht so. Ich musste nirgendwo was zahlen. Es gab sogar Abende, wo ich extra gebeten wurde zu kommen, um die Lokalität mit meiner Anwesenheit “aufzuwerten”. Diese Zeiten sind längst vorbei. Ich bin nicht mehr diese “Göttin der Nacht”, die durch die Kneipen und Clubs der Provinz schwebte und angehimmelt wurde.

Kein Schwein dreht sich mehr um. Ich bin unsichtbar geworden. Das ist hart zu erkennen, aber es war unvermeidlich. Der Zahn der Zeit nagt an uns allen. Das Gute ist jedoch, dass ich auch nicht mehr so eine arrogante Bitch bin, die Verehrer Erdnukl oder Schlimmeres nannte. Ich hatte in meiner “Hochphase” einen Verehrer, den ich und meine Freundinnen sehr oft als Chauffeur missbrauchten. Ich machte ihm gerade so viel Hoffnung, um ihn “bei Stange” zu halten, aber doch immer so distanziert, dass er alles machte, was wir wollten. In Wahrheit war es auch nicht nur ein Verehrer, sondern Viele, die ich hier zu einer Person zusammengefasst habe.”Er” fuhr uns nach Tschechien, zu Ikea, holte uns Mitten in der Nacht vom Club ab. “Er” bekam sogar eine Liste mit Bewertungen, was er alles gut oder weniger gut ausgeführt hatte. Für schlecht ausgewählte Kinofilme gab es zum Beispiel Minuspunkte und wir liesen ihn allein im Kinosaal zurück, tauschten die Karten um und gingen ohne ihn in einen anderen Film. Das war sehr grausam und so etwas würde ich heute nicht mehr tun. Damals war mir all die Verehrung zu Kopf gestiegen. Wenn man nicht mehr angebetet wird, ist man auch kein arrogantes Miststück mehr.

Ich habe diesen Zauber verloren und das ist gut so, weil es ein Blendzauber war. Es wird Zeit für mein echtes, Wahres ich, das hervorkommt, wenn “der Lack ab” ist. Schönheit vergeht, doch die Seele bleibt.

Der Morgenmantel von Hugh Hefner?

@v_intagefee666 | Instagram 2023-05-11 13-13-28

Ich gehe regelmässig mit meinen Freundinnen auf Flohmärkte. Bei einem unserer letzten Ausflüge, konnte ich diesen Designermantel mit Kunstfellkragen ergattern. Er ist von einer Dänischen Designerin. Stolz brachte ich ihn mit nach Hause und war wirklich begeistert von meinem Fund… bis mein Mann fragte: “Ist das der Morgenmantel von Hugh Hefner?”. In der Tat ist eine gewisse Ähnlichkeit nicht zu leugnen. Ich habe ihn gerade wieder zum Verkauf in einer Secondhand Börse ausgeschrieben…

Schlupfwespen

Eine Freundin von mir hat Pferde. Wir trafen uns und tranken exakt ein Glas Wein – wir vertragen beide keinen Alkohol und sind seeeeehr schnell betrunken. Schon reichlich beschwipst erzählte mir die Freundin von Lebensmittelmotten im Pferdefutter. Ich sagte dann, dass sie Schlupfwespen bestellen könne, welche die Lebensmittelmotten fressen. Die Idee hatte nur den Hacken, dass die Schlupfwespen normalerweise nach getaner Arbeit zum Fenster raus fliegen, nur hat die Futterkammer kein Fenster. Wir kamen daraufhin auf die gradezu geniale Idee, dass wir wiederum Tiere benötigen, die dann die Schlupfwespen fressen. Google empfahl uns Ameisenbären. Mit jedem Schluck Wein wurden die benötigten Fressfeinde größer und größer. Wir wurden immer alberner und irgendwann konnten wir das Wort Schlupfwespen nicht mehr aussprechen und es wurden Schlupfwesten daraus. Als wir bei Elefanten angelangt waren, die das Pferdefutter fressen sollten, mitsamt den Schlupfwespen, waren wir so betrunken, dass uns der Wirt des Biergartens, am liebsten los haben wollte. Er schaltete demonstrativ das Licht aus, doch auch im Dunkeln hörten wir nicht auf zu kichern. Es war ein witziger, schöner Abend und noch dazu sehr günstig mit jeweils € 3,90. Die Lebensmittelmotten verschwanden übrigens von selbst wieder aus der Futterkammer.

Braune Balken

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Dieses Bild ist 5 Jahre alt. Ich hatte mich damals von einer Stylistin für eine Hochzeit im Familienkreis schminken lassen. Eine Bekannte sagte damals “Endlich hast Du mal Augenbrauen”. Ähm… nö, ich hatte keine Augenbrauen, sondern braune Puderbalken! Ich fühlte mich nicht sehr wohl damit. Ich finde auch heute noch, dass es mir nicht steht.

Irgendwie ist es gerade der Zeitgeist, dass man beinahe seltsam ausschaut, wenn man keine gelifteten Wimpern, laminierten Augenbrauen und aufgespritzten Lippen hat. Social Media hat daran einen potentiellen Anteil. Kaum ein Account ohne Filter und Bearbeitung.

Eine weitläufige Bekannte hat auf Bildern immer so viele Filter drüber, dass sie 20 Jahre jünger und 10 kg schlanker ausschaut als in Natura. Jemand, der sie nur von ihrem Insta-Kanal kennt, würde sie im realen Leben nicht erkennen. Sehr schade, denn sie ist auch im Real Life eine attraktive Frau.

All diese virtuellen Perfektionierungsversuche führen dazu, dass sich immer mehr – auch sehr junge Frauen – unters Messer legen, um auch in der Realität diesem Ideal zu entsprechen. Was zu dem Effekt führt, dass es immer weniger Individualität gibt und die Frauen wie Klone wirken läßt.

Ich kann es verstehen. In dysmorphophoben Phasen finde ich mich so hässlich und fett, dass ich am liebsten nicht aus dem Haus gehen würde. Wenn diese Phasen vorüber sind, kann ich das gar nicht mehr nachvollziehen. Auch wenn ich die Entwicklung hin zu chirurgischen “Optimierungen” manchmal nachvollziehen kann, finde ich die “Ergebnisse” in den wenigsten Fällen gut. Zu künstlich, zu unecht, zu unnatürlich. Vielleicht nur die logische Konsequenz zu all den Fake Profilen und Fake News.

Gestern war ich mit Freunden Essen und wir redeten darüber, was wir tun würden, wenn wir eine Zeitmaschine hätten. Aus sehr unterschiedlichen Gründen wollten wir alle zurück in verschiedene Jahrzehnte. Ein Kumpel wollte zurück in die 80er Jahre, weil er sich damals sicherer gefühlt hat, Klar, auch damals gab es Gefahren und Unschönes (den Kalten Krieg, Chernobyl, die Neue Deutsche Welle, Modern Talking), aber damals war eine Pandemie ein abstraktes, unwahrscheinliches Ereignis. Eine Freundin wollte zurück in die 90 er, weil auch sie damals anscheinend unbeschwerter und sorgloser war. Ich selbst wollte zurück zu Mitte der Y2K. Auch ich war damals scheinbar sorgloser, unbeschwerter und in meiner Erinnerung glücklicher.

Was wir alle brauchen ist wieder mehr Unbeschwertheit und Leichtigkeit. Das Leben ist nicht so dramatisch, wie wir denken. Früher folgten auf Pandemien oft ausgelassene Phasen. Wann folgen die ausschweifenden Exzesse auf die vergangenen drei Jahre? Ist das nicht angebracht mit Blick auf die Klimakrise, den Krieg in der Ukraine und einer allgemeinen Aufrüstung? Gerade jetzt wäre meiner Meinung nach, mehr Lebensfreude für die mentale Gesundheit des kollektiven Bewusstseins wichtig.