Vielleicht wirst Du ja wieder normal

Diesen Satz hörte ich erst kürzlich wieder, es war aber ganz sicher nicht das erste mal, dass ich ihn gehört hatte. Gemeint war damit immer “Vielleicht ernährst Du Dich mal wieder so wie wir auch und isst Fleisch, Wurst, Eier, Honig und trinkst Milch”.

Ich habe der Person keine Antwort gegeben, weil es verschwendete Liebesmüh gewesen wäre. Sie hat es daraufhin noch dreimal wiederholt. Ich war kurz zuvor zu sagen “Ich habe Dich schon beim ersten Mal verstanden, aber Dein Geschwätz absichtlich ignoriert”. Das wäre natürlich enorm unhöflich gewesen und diesen Pegel hatte ich alkoholtechnisch noch nicht erreicht.

Ich glaube, dass ich nicht drauf reagiert habe, hat die Person mehr getroffen, als wenn ich gesagt hätte “Nein, ich werde ganz sicher nie mehr bewusst etwas Tierisches essen”. Ich schreibe deshalb bewusst, weil ich oft unterwegs nicht weiss, ob ich angelogen oder aus Unkenntnis desinformiert werde, wenn ich frage, ob etwas vegan ist. Darauf muss ich einfach vertrauen. Wenn ich jedoch wüsste, dass ein Produkt Ei, Milch, Honig oder gar Fleisch enthält, würde ich es ganz sicher nicht konsumieren.

Aber um die Frage der Person hier zu beantworten: NEIN, ich werde ganz sicher niemals mehr “normal” werden, wenn mit Normalität gemeint ist, dass ich das ausbeuten und töten von Mitgeschöpfen unterstütze. Ich habe seit ungefähr 1995 kein Fleisch mehr gegessen und lebe seit 2011 vegan. Es gibt kein “zurück” mehr. Wieso sollte ich in dieses barbarische Verhalten, das mir als Kind antrainiert wurde, zurückfallen, wenn ich es heute besser weiss. Ich bin mir sicher, dass die Zukunft mir recht geben wird. Schon in wenigen Generationen, wird das Töten und Ausbeuten von Tieren genauso angesehen werden, wie die Sklaverei heute.

Träume nur Schäume?

Heute nacht hatte ich gleich zwei komplett abgedrehte Träume. Als erstes träumte ich, dass der ehemalige Nachbar meiner Eltern wieder von den Toten auferstanden wäre. Das war ein total netter Herr, der hoch betagt vor einigen Jahren starb und mit Sicherheit ein erfülltes, gutes Leben hatte. Er kam zurück und erklärte mir, dass er doch noch nicht alles hier erlebt hätte. Er sah auch total fit aus, obwohl er schon fast 100 war.

Dann lief ich in einer Firma an der Rezeption entlang und meine verstorbene Freundin Sonja lief an mir vorbei. Auch sie sah total gut und fit aus. Ich sagte “Sonja, bist Du das?” und sie sagte “Ja, ich bin wieder da”.

Bedeutet das, dass beide wieder reinkarniert sind? Ich habe keine Ahnung. Ich habe Traumdeutungen “Wiederkehr Verstorbener” gegoogelt und es steht wohl für eine positive Wende im eigenen Leben und kündigt schöne Aussichten auf sich ändernde Lebensumstände an.

Die Träume waren auch schön und hatten absolut nichts bedrohliches an sich. Es war kein Zombie Traum sondern, ich freute mich, sowohl den alten Herrn, wie auch Sonja wieder zu sehen. Es hat mir keine Angst gemacht, dass sie wieder auferstanden waren, sondern es hatte was Natürliches an sich. Es fühlte sich an, als ob jemand aus dem Urlaub zurück gekommen wäre. Vielleicht ist es auch so, dass wir einige Zeit im “Himmel” sind und dann wieder geboren werden um nochmals das Erlebnis eines Körpers zu haben. Das Medium Pascal Voggenhuber glaubt, dass Menschen nur als Menschen wieder geboren werden können und Tiere nur als Tiere. Das glaube ich ganz und gar nicht. Ich glaube, wir alle waren schon einmal Tiere, Pflanzen oder auch Steine und Felsen. Ich bin davon überzeugt, dass wir alle Erfahrungen machen und alles was es gibt einmal waren. Eine Wolke, ein Baum, ein Vogel, eine Schneeflocke, ein Grashalm, eine Maus. Ein Fisch, eine Muschel, ein Wal, eine Welle, ein Pilz, eine Schnecke, eine Ameise, eine Wespe, ein Sandkorn. Ich glaube auch fest daran, dass wir alle zusammen, das sind, was “Gott” am nächsten kommt. Also dass wir alle Teile des Göttlichen sind. Jeder und Alles ergibt zusammen Gott.

Warum nicht Horst?

Manchmal stöbere ich zum Spass in Esoterikforen, wo selbsternannte Medien, Druiden und Geistheiler von ihren Kontakten mit irgend einem höheren Wesen oder aufgestiegenem Meister berichten. Sie hatten allesamt Kontakt mit Metadron, Azrael, Kuthami, Maitreya, Lady Nada, Erzengel Michael oder gleich mit Jesus oder Maria Mutter Gottes.

Ich habe noch nie gehört, dass ein Medium mit einem ganz normalen Typen namens Horst oder Herbert Kontakt hatte, oder mit einer hundsgewöhnlichen Ilse oder Anneliese. Nein, es sind immer die Berühmtheiten. Der Graf von St. Germain, Maria Magdalena, Hildegard von Bingen und und und.

Genauso verhält es sich mit Rückführungen in frühere Leben. Die Probanden waren angeblich in früheren Leben Cleopatra (ja welche denn, derer gab es gar viele!), Mata Hari, Dschingis Khan oder Julius Cäsar. Keiner war Gretel aus Bopfingen oder Heinz aus Mönchengladbach.

Vielleicht sollte ich auch mal so ein Channeling machen. Dann bin ich womöglich die einzige, die Kontakt mit den armen, vernachlässigten Horsts, Herberts, Ilses und Liesels aufnimmt. Eine “Rückführung” habe ich tatsächlich mal interessehalber gemacht. Ich weiss aber echt nicht, ob das nicht alles meiner überschäumenden Phantasie entsprungen ist. Ich habe im “Trancezustand” ein Leben gesehen, wo ich eine ganz normale Frau an der Küste Englands war, die Anfang des 20. Jahrhunderts geboren worden war. Ich war eine junge Frau in den Roaring Twenties und starb in den 40er Jahren bei einem Bombenangriff in einem eingestürzten Bunker. Vielleicht war das so, vielleicht habe ich auch einfach zu viel “Downton Abbey” und “Abbitte” geschaut, bzw. als kleines Kind mit meiner Oma “Das Haus am Eaton Place”.

Grundsätzlich glaube ich jedoch an Inkarnation. Ich glaube auch, dass es Medien gibt, die echt diese Gabe haben, wie Paul Meet oder James van Praagh. Ich glaube auch, dass es Geistführer oder Krafttiere gibt. Ich glaube jedoch auch daran, dass die überwiegende Anzahl derer, die behaupten, ein Medium zu sein, oder übersinnliche Fähigkeiten zu haben Dilettanten sind, deren Ego das nur glaubt, bzw. Scharlatane, die die Menschen gezielt betrügen. Vielleicht erkennt man die, die es wirklich können daran, dass sie Kontakt zu Berta aus Buxtehude hatten und nicht zu Königin Marie Antoinette.

Eine Szene aus dem Alltag

Ich hatte einen Gutschein geschenkt bekommen für ein Speiselokal. In der Kleinstadt in der wir leben gibt es genau zwei Restaurants, wo es nichts veganes gibt und dieses war eines davon. Ich schaute auf der Onlinespeisekarte und fand zwei Gerichte, die man leicht und ohne Aufwand veganisieren könnte. Wir beschlossen daher, dem Geschäft eine Chance zu geben.

Wir trafen dort ein und fragten den Kellner, ob noch ein Tisch für zwei Personen verfügbar wäre, was er mit “Ja, aber nur noch Vorne” bejahte. Es gibt vor dem Restaurant ein paar Tische und im Innenhof ebenfalls. Natürlich ist der Innenhof schöner, aber das war uns gleich und wir sagten, dass wir den Tisch vorne nehmen werden. Er nickte und wir liefen zu dem Tisch, der “vorne” noch frei war. Er sah wie wir uns setzten. Wir warteten 5 Minuten, bis er die Bestellung aufnahm, aber er stand an der Tür und schaute in die Luft. Wir warteten 10 Minuten. Wir warteten 14 Minuten, aber er stand noch immer an der Tür. Nach 15 Minuten kam er zu uns an den Tisch und fragte, ob wir reserviert hätten. Wir schauten ihn verständnislos an und erinnerten ihn an unser Gespräch zuvor. Er sagte er hätte mit “vorne” gemeint, dass noch im Restaurant vorne am Tresen ein Tisch frei wäre. Wir sagten ihm, dass wir an einem schönen, lauen Sommerabend nicht im Innenraum sitzen möchten und dass wir gehen werden.

Wir werden das Restaurant sicher nicht so schnell wieder betreten. Das war sehr merkwürdig. Den Gutschein werden wir an Omnis verschenken, oder wir gehen mal hin und saufen uns die Hucke voll, aber ich glaube eher nicht.

perfectly imperfect

Es sind die kleinen Ticks und vermeintlichen “Schwächen”, die uns sympathisch machen. Die Versprecher und tollpatschiges Verhalten, ein zu schrilles Lachen, nicht perfekte Umgangsformen oder schrullige Marotten.

Ich mag es sehr, dass sich eine meiner Freundinnen immer einsaut. Sie kann nichts essen, ohne zu kleckern. Eine andere Freundin spricht Wörter seltsam aus. Sie spricht Beeren immer aus wie Bären und das englische Wort für Insel spricht sie immer aus, wie das englische Wort für Island. Meine Tochter ist mega tollpatschig veranlagt und mein Mann pflegt zu sagen “Ganz die Mama”. Wir sind tatsächlich schon mal beide aus dem Bett gefallen, weil wir uns zu weit nach aussen gedreht hatten. Ich stolpere oft und viel durch die Gegend auf meinen langen Storchbeinen. Unser Sohn Yoshi sieht glaube ich schlecht. Er hat auch einen leichten Silberblick. Manchmal sieht er die Leckerli glaub nicht, sondern riecht sie eher. Deswegen mögen wir ihn nicht weniger, im Gegenteil. Auch unser Muffin ist so unglaublich süss mit seinen X-Beinchen. Ich mag es, das eine meiner Freundinnen es faustdick hinter den Ohren hat, man es ihr aber niemals zutraut. Sie sieht unschuldig und total süss aus, hat aber mal zum Schrottwichteln einen Porno mit gebracht, was alle anderen Teilnehmer nachhaltig verstört hat. Das hätte man vermutlich jeder anderen Person zugetraut nur ihr nicht. Sie sass einfach nur da wie eine Sphinx und hat in sich rein gegrinst, während allen anderen am Tisch die Kinnlade runterfiel. Meine langjährigste Freundin neigt dazu, immer von Haushaltsaktivitäten zu reden, wenn sie sehr unglücklich ist. Sie redet dann vom waschen, bügeln, putzen und ich weiss dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, dass eine ihrer Beziehungen zu Ende geht. Wenn sie glücklich ist, redet sie nicht von solchen Dingen. Das ist ihr vermutlich selbst noch nie aufgefallen. Ich selbst habe den Hang, seltsame – wirklich mega seltsame – Menschen anzuziehen, wie Motten das Licht. Egal ob im Bus, beim Einkaufen oder wo auch immer. Ich ziehe die Waldschrats, Exzentriker, seltsamen Trullas, komischen Käuze dieser Welt an. Immer. Schon seit Urzeiten. Erst am Freitag wurde ich in der nächstgelegenen Großstadt von einem Mann mit nacktem Oberkörper eingeladen, ob ich eine Flasche Schnaps mit ihm trinken will. Ich habe das Angebot nett und höflich abgelehnt. Dennoch sind es gerade diese Eigenarten, die auch mich ausmachen. Diese Anziehung von seltsamen Gestalten mag nicht perfekt sein, sorgt aber immer wieder für Erheiterung im Familien- und Freundeskreis.

Perfektionismus ist sowieso unerreichbar und wer es versucht, ist mega langweilig. Ich mag Menschen, die “Originale” sind. Damit meine ich nicht die narzistischen Egomanen, die nur das tun, was sie wollen, ohne Rücksicht auf Verluste, sondern richtig originelle Menschen. Urgesteine mit liebenswerten (!!!) Schrullen und Macken. Es leben die Kleckereien, die Versprecher, Verstolperer, die versehentlichen Rülpser, die Anziehung seltsamer Gestalten, die Icelands und Islands, die Brombären, Erdbären, Himbären, Stachelbären und Johannisbären. All die süssen Ticks und Macken, die uns menschlich und sympathisch machen.

 

Manchmal bin ich eine Tussie

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Gestern war mir nach schminken und stylen. Zugegebenermaßen war ich gestern etwas overdressed mit einem altrosafarbenen Tüllröckchen. Es wirkte sehr prinzensinnenhaft. Manchmal brauch ich das. Gestern hatte ich das nötige Selbstvertrauen für so ein extravagantes Outfit. Das ist leider nicht immer so. Den überwiegenden Teil meines Lebens fühlte und fühle ich mich hässlich, zu dick, zu unzulänglich, zu faltig, zu zu zu zu zu. Es gibt Tage, da redet der Quatschkopf in meinem Kopf unendlich und hält nicht einmal die Schnauze. Er redet mir ein, dass ich nicht gut genug bin, nichts kann und total unansehnlich wäre. Ich muss diesem Arschloch endlich mal den Mund stopfen, weiss aber nicht wie. Immer wenn ich mich mal gut fühle, kommt wieder dieser innere Arsch und macht alles zunichte. Mit meinen Freundinnen würde ich niemals im Leben so hart zu Gericht gehen, wie mit mir selbst. Warum tue ich mir das selbst an und wie kann ich es ändern? Wie kann ich den “inneren Quatschkopf” für immer (ich wäre ja schon für eine Weile dankbar) zum Schweigen bringen?

Ich sah mal einen echt genialen Film, von dem ich leider nicht mehr weiss, wie er hieß. Es ging um einen Mann, der kaum Selbstvertrauen hatte, sich von seinem Chef und den Kollegen auf dem Kopf herum tanzen ließ und es immer allen recht machen wollte. Er ging zu einem Hypnotiseur und dieser suggerierte ihm viel Selbstvertrauen. Während der Sitzung bekam der Hypnotiseur einen Herzinfarkt und deshalb war das Selbstbewusstsein des Mannes plötzlich unendlich und nicht nur ein bisschen gestärkt. Er machte einfach nur noch was ihm guttat. In der Firma stieg er plötzlich rasant die Karriereleiter hinauf, weil er einfach nur noch sagte, was er dachte und machte zu was er Lust hatte. Sein gesamtes Leben änderte sich zum Positiven. Vielleicht sollte ich auch mal zu so einem Hypnotiseur.

Mehr Schein als Sein

Es gibt eine Frau in unserem Umfeld, auf die ich eine Weile etwas eifersüchtig war. Nicht, dass ich Grund dazu gehabt hätte, ganz sicher nicht. Aber kennt Ihr das, da ist eine andere Frau, die mega super ausschaut und die immer top gestylt ist. Die Dame postet auf ihren Social Media Accounts immer perfekte Portraits, die sie von unzähligen verschiedenen Fotografen machen lässt.

Sie fragte, ob wir mit ihr einen Ausflug machen. Mein Mann sagte zu und ich mit gemischten Gefühlen ebenfalls. Mir war unwohl bei dem Gedanken, dass wir diese scheinbar perfekte Frau im realen Leben treffen würden. Sie wohnt nicht arg weit von uns weg und wir hatten ausgemacht sie abzuholen. Als wir vor ihrem Haus standen, klopfte mein Herz ganz stark und ich verglich mich innerlich mit ihr und schnitt natürlich viel schlechter ab. Sie kam aus dem Haus und sah komplett normal aus. Sie war zwar gestylt aber lange nicht so wie auf ihren Kanälen. Eine ganz normale Frau. Nicht diese überirdische Schönheit, die ich befürchtet hatte. Ich war etwas erleichtert. Sie setzte sich uf die Rückbank und fing an zu reden. Die Fahrt zu unserem Ausflugsziel dauerte ungefähr 45 Minuten und sie redete ohne Punkt und Komma ohne Unterlass. Nur von sich! Sie sie sie sie sie…! Sie hatte in der Realität null Ausstrahlung und nervte ehrlich gesagt extrem. Eine Narzisstin. Sehr von sich selbst überzeugt und echt anstrengend. Auf dem Ausflug ging es genau so weiter und sie traf dort jemand Bekanntes und beschloss, nicht mehr mit uns zurück zu fahren, worüber wir sehr dankbar waren. Wir genossen die Ruhe und Stille auf der Heimfahrt und haben uns nie wieder mit ihr getroffen.

Oft haben wir von anderen ein bestimmtes Bild in unserem Kopf, das mit der Wahrheit nichts gemein hat. Wir idealisieren und überinterpretieren manche Mitmenschen, dabei ist es einfach nur der inszenierte Schein, den sie auf Insta & Co erzeugen.

Etwas Schwund ist immer

Gestern haben wir unser Patenkind Giovanni auf dem Lebenshof Eulhof im Mainhardter Wald besucht. Als ich das Ziegengehege betrat, wurde ich sogleich von Greta verfolgt. Eine wunderschöne weiße Ziegendame. Leider hat sie sehr schlechte Erfahrungen mit Frauen und Kindern machen müssen. Männern gegenüber ist sie komplett anders. Sie kam direkt auf mich zu gehüpft und hat mir eines ihrer spitzen Hörner in den Oberschenkel gerammt. Wer kann es ihr verdenken. Armer Schatz. Was muss sie Schlimmes erlebt haben, wenn sie selbst nach Jahren in Sicherheit noch so auf alle Frauen und Kinder reagiert.

Hier noch ein Bild von der Süssen:

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Ich habe nur einen kleinen blauen Fleck, aber Greta hat wahrscheinlich für immer ein Trauma. Aber sie lebt jetzt im Paradies und wird umhegt und umsorgt.

Keine Zeit heißt übersetzt kein Interesse

Ich kenne wirklich Menschen, die sind selbst in Zeiten von Corona auf Monate hin “ausgebucht”. Sie sind ja so beschäftigt und haben für nichts Zeit. Oh ich kenne das. Ich habe das selbst auch schon gemacht. Ich hatte früher eine Freundin, mit der ich mich immer weniger verstand. Ich mag sie noch immer, es ist nicht so, dass ich sie nicht leiden könnte. Wir hatten uns einfach irgendwann “in unterschiedliche Richtungen entwickelt”. Wenn ich mich mit ihr traf, war es für mich anstrengend, gezwungen und nicht mehr leicht und unbefangen. Ich wollte mich zwar nicht mehr mit ihr treffen, sie aber auch nicht vor den Kopf stoßen. Deswegen sagte ich immer, wenn sie um ein Treffen bat, dass ich keine Zeit hätte und ja so unendlich beschäftigt wäre und frühestens in zwei, besser drei Monaten vielleicht, aber auch wirklich nur vielleicht Zeit hätte. Es war gelogen. Natürlich hätte ich mir die Zeit genommen, wenn ich mich mit ihr hätte treffen wollen. Wollte ich aber eben nicht. Wäre es ehrlicher gewesen, wenn ich ihr gesagt hätte “Du, ich glaub wir brauchen etwas Abstand, vielleicht verstehen wir uns in ein paar Jahren wieder besser, aber jetzt gerade haben wir nicht so viel gemeinsam”. Das kann man doch nicht sagen. Also ich möchte sowas nicht hören. Dann lieber “keine Zeit, total ausgebucht, bin soooo extrem beschäftigt”. Oder doch nicht? Ich weiss es nicht und bin unschlüssig. Eigentlich weiss auch bei der zweiten Variante jeder, was es übersetzt heißt: Du bist mir nicht so wichtig, dass ich mir die Zeit für Dich nehme.

Vielleicht sind wir zu oberflächlich geworden und geben auch Kontakte zu Bekannten zu schnell auf. Die Ex und Weg Mentalität greift überall um sich. Wahrscheinlich sind wir als Menschen inzwischen so verroht und abgestumpft, dass wir Mitmenschen wie materielle Dinge behandeln. Wenn sie nicht mehr das machen, was wir von ihnen erwarten, werfen wir sie weg. Habe ich die frühere Freundin weggeworfen? Irgendwie schon. Ich fühlte mich nach treffen mit ihr nicht mehr wohl. Hatte das Gefühl, dass ich jedes Wort auf die Goldwaage legen muss. Es war, als würden wir verschiedene Sprachen sprechen. Das was sie sagte, kam bei mir falsch an und umgedreht. Es passte einfach nicht mehr. Obwohl ich sie natürlich noch gern hatte und habe, hatte ich keinen Bock mehr, auf ein Treffen mit ihr. Sie sprach oft und gerne von sich. Vielleicht hätte ich ihr einfach zuhören sollen, anstatt mich darüber aufzuregen. Aber offen gesagt, denke ich selten an sie und vermisse sie nicht wirklich. Vermutlich war unsere gemeinsame Zeit vorerst beendet. Vielleicht ändert sich das irgendwann wieder, vielleicht auch nicht. Bevor sich hier womöglich jemand aus meinem privaten Umfeld angesprochen fühlt. Ich habe hier als Beispiel verschiedene Personen zu einer zusammen gefügt. Es gab nicht die eine frühere Freundin, sondern sie ist eine fiktive Gestalt aus mehreren früheren Bekannten.

Wenn wir unsere Lebenszeit mit einer Zugfahrt vergleichen, gibt es Mitfahrer, die beinahe die gesamte Fahrtzeit mitfahren, andere steigen irgendwann zu und auch manchmal wieder aus. Einige wenige steigen an einer anderen Haltestelle wieder zu, andere nehmen eine gänzlich andere Linie. Ein paar sieht man manchmal durch die Scheibe an einem Bahnsteig stehen und winkt ihnen zu und andere sieht man ebenfalls durch das Fenster in einem anderen Zug sitzen, der in die entgegengesetzte Richtung fährt. Manche bleiben zwar im selben Zug, bleiben aber nicht immer im selben Abteil. Einige sind nur kurz im Schlafabteil oder im Speisewagon und kehren zurück, andere kehren nicht zurück und setzen sich in andere Abteile. In seltenen Fällen wird eines dieser Abteile abgehängt und bleibt zurück. Einige ganz wenige bleiben bis zur Endstation im selben Abteil.

Manchmal lohnt es sich, um eine Bekanntschaft zu kämpfen und Unausgesprochenes zu klären, aber es gibt auch Fälle, wo es einfach nicht sein soll und die Personen uns nur ein Stück des Weges begleiten sollten. Dann ist es besser, wir steigen aus dem Abteil oder auch aus dem Zug der Person aus. Wir können wieder zusteigen, wenn es passt, oder eben in andere Züge einsteigen, die mehr zu uns passen und uns an geeignetere Ziele bringen.