Eine weitere schier unglaublich klingende Geschichte

Man schrieb das Jahr 1990 und es war eine sternenklare Silvesternacht. Überall feierten kultivierte Menschen den Jahreswechsel. So auch eine Gruppe junger Erwachsener, wobei das Verständnis für Kultur dort sehr relativiert war.

Die Party in der Scheune neben dem Elternhaus des Gastgebers war in vollem Gange. Es gab hausgemachten Kartoffelsalat. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich hungrig mit meinem Teller am Büffet stand, als sich eine Horde Mitglieder einer Motoradgang an mir vorbeidrängelte, mit den bloßen Händen eine Portion aus der Schüssel nahm, sich diese in den Schlund stopfte und mit einem Krug Bier nachspülte. Irgendwie war mir daraufhin der Appetit vergangen. Als einer der Herrschaften mir netterweise eine Hand voll anbot, lehnte ich aus unerfindlichen Gründen dankend ab.

Die Stimmung war schnell auf dem Siedepunkt und konnte auch nicht durch das wiederholte Auftauchen von damals noch grün-weißen Fahrzeugen und mehrfachen Einsätzen eines Krankenwagens getrübt werden.

Der erste Sanitäter musste anrücken, als einer der Gäste beim Bierholen in eine Baugrube fiel, in der das Gebräu zwecks Kühlung abgestellt war, und sich dabei den Knöchel brach. Das zweite Mal kamen die guten Samariter, als einer der Gäste über die Blumenkübel der Mutter des Gastgebers torkelte und sich dabei eine böse Armfraktur zuzog. Und zum dritten Mal erschienen sie, als der Vater des Gastgebers das neue Jahr mit Böllerschüssen aus seiner Schrotflinte begrüßen wollte und dabei versehentlich einem der Umstehenden in den Fuß schoss. Nicht nur die Sanitäter, sonder auch die Teilzeitgäste in Grün hatten alle Hände voll zu tun. Unfallprotokolle mussten aufgenommen werden und die Anwohner hatten schon zigmal um Ruhe gebeten. Als kleine Zwischenunterhaltung wurde im winzigen Jugendzimmer des Veranstalters immer mal wieder sein dort abgestelltes Motorrad angelassen, wodurch  wiederum eine Person beinahe eine Vergiftung durch die Abgase erlitt.

Einer der Nachbarn rief beim Gastgeber an und bat darum, die Musik etwas leiser zu drehen, aber jener Bitte konnte dieser nur ein müdes Lächeln abgewinnen – und er drehte noch mal um ein paar Dezibel lauter. Als das Telefon erneut klingelte, zog er aus der Küchenschublade ein Schlachtermesser heraus, kappte kurzerhand das Telefonkabel und kommentierte sein Verhalten lapidar mit den Worten: „Jetzt ruft keiner mehr an.“ Wohl wahr.

Ich schwöre, dass sich alles genau so zugetragen hat. Ohne Übertreibung. Es fand wirklich so statt.

Viel Zeit

Wir haben gerade alle etwas, was wir sonst nie haben: Zeit!

Ich nutze diese Zeit, lächerliche, absurde, skurrile und aberwitzige Ereignisse meines Lebens Revue passieren zu lassen, zur Belustigung aller, die es lesen. Endzeitszenarien und dystopische Zukunftsaussichten sind nicht meins. Das überlasse ich gerne anderen, das werdet Ihr hier nicht zu lesen bekommen. Ich berichte Euch heute von einer Begebenheit, die schon sehr viele Jahre zurück liegt. Wenn man viel Zeit hat, fällt einem so mancher Stuss wieder ein:

Es war auf einer Faschingsveranstaltung des ortsansässigen Basketballvereins. Neben der Sporthalle befand sich das Jugendzentrum, das für den gleichen Tag zu Chaostagen aufgerufen hatte. Vor der Halle fand man etwa zweihundert Punks und ein enormes Polizeiaufgebot auf der gegenüberliegenden Seite vor.

Ich trug damals eine StarTrek Uniform aus „The Next Generation“ inklusive Handphaser und Communicator. Zu vorgerückter Stunde war ich leicht bis mittelschwer beschwipst und wollte draußen vor der Halle nur etwas frische Luft schnappen, nicht mehr bedenkend, was sich dort abspielte. Ich stolperte ein bisschen, verlor dabei meinen Handphaser und suchte diesen im circa 3cm hohen Schnee (damals gab es tatsächlich noch Schnee im Februar), bis einer der Punks vorbeikam und fragte: „Mädchen, was machst Du hier??? Hier drüben sind alle Punks und dort drüben die Bullen… Du stehst mitten im Niemandsland”. Ich antwortete wahrheitsgemäß, dass ich nur meinen Phaser wiederhaben wolle. Drei der Rebellen und zwei Polizisten halfen mir bei der Suche. Als einer den Phaser endlich fand, überreichte er ihn mir und riet mir, nun schnell wieder in die Halle zu gehen. Ich bedankte mich nett bei allen Anwesenden. Ich zitierte zum guten Abschluss noch kurz, zu meiner Verkleidung passend, die Ideologien des Gene Roddenberry und verabschiedete mich mit dem Vulkaniergruss und einem beherzten „Live long and prosper”. Sowohl die Punker als auch die Polizisten grinsten mir hinterher und wünschten noch einen schönen Abend.

Jedes Jahr, wenn ich mit meinen Freundinnen auf dem Stadtfest bin und vor unserem bevorzugten Getränkestand stehe, sagt eine meiner Freundinnen immer zu mir “Margit, wir stehen mal wieder auf historischem Boden. Genau hier hast Du damals Deinen Handphaser verloren”.

Die Uniform besitze ich leider nicht mehr. Ich hatte sie im Jahr darauf einer weitläufigen Bekannten verliehen. Ich bekam sie von ihr erst Monate nach Fasching ungewaschen und nach Schweiss stinkend in einer gammeligen Plastiktüte zurück. Selbst nach mehrfachem Waschen bildete ich mir ein, den Schweissgestank noch zu riechen, was mir die Freude an dem Kostüm sehr verleidete und so landete es irgendwann im Altkleidersack. Den Handphaser habe ich noch, den Communicator hatte jedoch auch besagte Bekannte geschrotet. Etwas Schwund ist immer und ich habe die Uniform die letzten Jahre nicht wirklich vermisst.

Alles noch so Üble hat auch immer sein Gutes

Ja, es macht Angst und ja, es wird Tote geben, die Wirtschaft wird Schaden nehmen, Existenzen sind bedroht.

Dennoch mag ich mir nicht immer Sorgen machen und mich fürchten und in Panik leben. Ich bleibe Zuhause um andere zu schützen und das hat durchaus Vorteile. Ich schreibe jetzt einfach mal auf, was gerade gut an der Situation ist:

Ich habe mehr Zeit, ich sehe meinen Mann öfter als zuvor, die Katzenkinder sind überglücklich, dass ich den ganzen Tag Zuhause bin. Ich habe genug zu essen und zu trinken und auch genügend Klopapier. Ich gebe aber zu, dass ich Katzenfutter gehamstert habe. Wir haben doppelt soviel Ware bestellt als sonst, weil wir lieber selbst hungern würden, als das unsere Kleinen Hunger leiden müssten.

Ich sass heute mittag fast die gesamte Zeit auf der Terrasse in der Sonne und habe die Tageszeitung und ein Buch gelesen. Wann habe ich sonst für so etwas Zeit? Ich hatte mir auch nicht die Mühe gemacht, mich groß aufzutakeln. Seit Montag habe ich mich nicht mehr geschminkt. Ich trug um 15 Uhr noch den Schlafi… und ich konnte meine frisch gewaschenen Haare von der Sonne trocknen lassen. Ich lackiere meine Nägel nicht, ich trage keine Wimperntusche und ich laufe fast nur noch im Pyjama oder Joggingsachen herum. Die Körperhygiene habe ich natürlich nicht vernachlässigt. Geduscht wird täglich und auch die Körperbehaarung wird in Schach gehalten. Aber von Make-up oder gar dem Tragen eines BH`s bin ich Lichtjahre entfernt. Das hat durchaus was Befreiendes.

IMG_8281_pp

 

Alltägliche Erleuchtung

Vor vielen Jahren sass ich einmal auf einem kleinen Hügel und lies mir die Sonne auf den Latz scheinen. Ich sass dort ziemlich lange und träumte vor mich hin. Es war ein schöner Herbsttag Ende September. Ich tat nichts ausser da zu sitzen und auf einmal traf es mich wie ein Blitz. Ich wusste alles. Ich erkannte den Sinn des Lebens und das Geheimnis des Universums. Es war soooo unendlich simpel, dass ich laut auflachte. Beim Einhorn war ich blind und bescheuert, dass ich das vorher nicht erkannt hatte.

Im selben Augenblick hatte ich es aber auch schon wieder vergessen und konnte mich nicht mehr erinnern. Es war weg und ich war zutiefst traurig. Ich war erleuchtet aber nur für den Bruchteil einer Sekunde und dann war ich wieder unwissend und umnachtet. Seither suche ich wieder danach. Aber ich glaube, es ist wie mit allem: Das was man sucht findet man nicht. Es wird mich wieder finden, wenn ich aufhöre danach zu suchen.

IMG_8250

Der Teufel ist definitiv kein Eichhörnchen

Wieso sagt man “Der Teufel ist ein Eichhörnchen”? Ich fand das schon immer doof. Eichhörnchen sind supersüsse Wesen und niemals Teufel.

Es gibt noch mehr so dämliche Sprichwörter. Wieso sagt man “Wie auf Eiern laufen”, wenn es glatt ist?

Warum heißt es “Katzenwäsche”, wenn sich jemand nur kurz und nicht so richtig wäscht? Eine Katze wäscht sich sehr sorgfältig und ausgiebig. Das ist genauso irrsinnig wie die “Rabenmutter”.

Ebenfalls richtig sinnlos sind Redewendungen wie “Da liegt der Hund begraben”, “Es beißt die Maus keinen Faden ab”, “Da liegt der Hase im Pfeffer”, “Das Kind mit dem Bade ausschütten” oder “Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps”.

Dann doch lieber: “Lustig gelebt und selig gestorben, heißt dem Teufel die Rechnung verdorben.”

IMG_1928

Tierschutz ist nichts für Weicheier

662e6145-c582-4990-bd76-836cd5f76af8

Wir fanden Fräulein Freitag getern ziemlich entkräftet und unterkühlt auf einer Waldlichtung. Sie bewegte sich nicht sehr, hatte aber natürlich noch immer Todesangst. Wir mussten Sie betäuben lassen, sonst hätten wir sie nie in den Transporter gebracht. Sie hatte sich auch schon durch die Brombeersträucher Kratzer zugefügt und ich bin mir sicher, dass sie nicht mehr lange im Wald überlebt hätte. Als sie betäubt war, hievten wir sie in den Transporter. Sie wiegt geschätzt so um die 150kg.

Kaum im Transporter, erwachte sie auch nach kurzer Zeit schon wieder aus der Narkose. Bis wir sie zum Gnadenhof gefahren hatten, war sie hellwach. Wir mussten nun sehr erfinderisch sein und fuhren den Transporter direkt an den Stall, so dass hinten nur noch die Türen aufgemacht werden konnten. Die Seitenbereiche stellten wir mit Mülltonnen und was so rumstand zu, damit sie nicht wieder ausbüxen konnte. Sie traute sich aber so nicht aus dem Gefährt heraus. Wir bastelten ihr aus Brettern eine provisorische Rampe, die sie tatsächlich herunter lief. Unten im Stall angekommen lotsten wir sie dann mit leichten Handbewegung Richtung ihrer präparierten Schlafkoje. Wir waren so was von froh, als die Stalltür sicher zu war.

Wir reden hier nicht von einem zahmen Hausschwein, sondern von einem Tier, das vor einem Metzger geflüchtet war, weil es nur zu gut wusste, was ihm sonst blüht. Das wir ihr nur Gutes wollen, konnte sie nicht ahnen und war dementsprechend auch uns gegenüber panisch. Ohne Betäubung hätten wir sie niemals sichern können. Sie schrie auch oft und markdurchdringend laut. Ich hatte sehr große Angst, dass sie uns an Herzversagen stirbt. Zum Glück hatten wir die Tierärztin vor Ort, die uns immer wieder versicherte, dass alles im grünen Bereich ist und so war es auch.

Dennoch, ein verängstigtes, erschöpftes Tier in Sicherheit zu bringen ist nicht so einfach, wie es sich anhört. Die gesamte Aktion dauerte ungefähr 8 Stunden, angefangen von der Suche bis zur Unterbringung. Heute morgen kam noch die große Sorge dazu, weil es ihr sehr schlecht ging. Sie hat sich vermutlich so unterkühlt, dass sie sich eine Lungenentzündung eingefangen hat. Sie ist aber in guter tierärztlicher Versorgung und wir sind sehr zuversichtlich, dass es ihr die nächsten Tage besser gehen wird.

b76c9730-80b6-45a7-9e06-d0cb8cda03e9

Sie ist nun warm eingepackt und bekam Antibiotika und Schmerzmittel. Sie hat auch schon gefressen, was ein gutes Zeichen ist.

Mein Respekt und mein Dank gilt all den Tierschützern, die solche Aktionen ständig durchführen. Es ist ein Knochenjob. Danke für Euren beispiellosen Einsatz. Ich wusste zwar schon immer, dass Ihr Tolles leistet, aber seit gestern weiss ich, wie es sich tatsächlich anfühlt.

 

 

Ein Schweinchen namens Fräulein Freya Freitag

c6eb5249-d518-43ff-af9e-be036319402b

Heute habe ich mit einer Frau, die ich heute erst kennengelernt habe, ein Schweinchen gerettet. Es war vor drei Tagen vor dem Schlachter ausgebüxt und heute haben wir es gefunden. Es lag schlafend auf einer Waldlichtung. Es sah aus wie ein kleines Engelchen. Mit Hilfe von lieben Menschen konnten wir es zu einem Lebenshof bringen. Wir sind alle ziemlich fertig von den Strapazen des Tages aber ich habe mich schon lange nicht mehr so lebendig und glücklich gefühlt. Ich habe etwas sinnvolles getan. Ich habe geholfen, ein Leben zu retten.

Alles geht irgendwann einmal zu Ende

Ich sitze gerade zu Hause weil ich angehalten wurde Überstunden abzubauen- dem Coronavirus geschuldet. Die unerwartete Freizeit kommt mir heute sehr entgegen, weil ich mich etwas müde und schlapp fühle. Ich lag also gerade so auf dem Sofa und dachte über die Zeiten in meinem Leben nach, die nicht so schön waren, aber dennoch irgendwann vorüber gingen.

Als ich Mitte / Ende 20 war arbeitete ich in einem Fotogeschäft und dort gab es einen Stammkunden. Er hasste mich, ich fand ihn einfach nur grausig. Er hatte die Angewohnheit, alle weiblichen Angestellten zwar zu siezen, aber mit ihren Vornamen anzusprechen. Die männlichen Angestellten wurden immer mit ihrem Familiennamen angesprochen. Wenn er den Laden betrat, mussten alle alles stehen und liegen lassen und sofort zu ihm eilen und seinen Wünschen entsprechen. Er hatte immer eine Lodenkluft an mit Jägerhut. Den das war sein Beruf: Jäger.

Viele Jahre sprangen wir alle zu ihm, sowie er die Tür durchschritten und sich zu seinem Stammplatz begeben hatte. Von dort erteilte er dann seine Befehle. Meist in sehr barschem Befehlston. Er hatte die Angewohnheit meinen Namen regelmässig zu verballhornen und mich mit Margot anzusprechen. Es bereitete ihm sichtliches Vergnügen, zu sehen, dass ich mich immer darüber aufregte. Jeder im Laden machte gute Miene und niemand erhob je das Wort gegen den Herrn. Tja, bis zu dem Tag, an dem die kleine Revoluzzerin in mir die Oberhand gewann.

Es war ein Tag an dem der Laden randvoll war mit Kundschaft. Jeder Angestellte war beschäftigt. Er kam herein und ich stand seinem Stammplatz am nächsten, beriet aber gerade einen anderen Kunden. Für gewöhnlich hätten wir alle jeden anderen Kunden kurz stehen lassen und ihm wenigstens vorerst seine Bestellungen aushändigen müssen. Nicht so an diesem Tag. Ich ignorierte ihn. Ich wollte den sehr netten Kunden, der mich um Rat gefragt hatte und dessen alte Fotografien wir gerade bezüglich Restauration besprachen nicht wegen dem alten penetranten Sack stehen lassen. Er hatte es nicht verdient, wegen so einem zu warten. Herr…ohm mir ist sein Name entfallen!!! Obwohl er mich jahrelang gepiesackt hat, fällt mir tatsächlich sein dämlicher Name nicht mehr ein – nennen wir ihn der Einfachheit halber einfach Depp. Herr Depp zischte unwirsch zu mir herüber “Margotttt holen Sie mir sofort meine Bestellungen” und ich sagte “Herr Depp, Sie sind an der Reihe, sowie ich Zeit habe!”. Ich war über meine eigenen Courage erstaunt. Nie hatte jemand es gewagt, Herrn Depp etwas abzuschlagen. Er wurde richtig zornig und schrie mich vor allen Kollegen und Kunden an: “Margotttt, holen Sie auf der Stelle meine Bestellungen, damit ich sie durchsehen kann”. Ich blieb unnatürlich ruhig, aber nur äußerlich, innerlich zitterte ich und ich sagte zu ihm: “Mein Name ist Margit und für Sie immer noch Frau M. (mein Nachname)! Und Sie warten jetzt auch mal, bis Sie an der Reihe sind, wie normale Menschen auch!”. Er schrie wutentbrannt: “Das wird Ihnen noch sehr leid tun”. Es war mucksmäuschenstill geworden. Kaum jemand traute sich zu atmen. Er nahm seine Aktentasche, stürmte zum Treppenhaus und rannte dort schnurstracks ins Büro des Ladenbesitzers um sich über mich zu beschweren.

Ein Kollege kam auf mich zu, umarmte mich und sagte “Ich bin stolz auf Dich”, eine Kollegin sagte “Oh Margit, das wird noch Ärger geben”. Der Mann mit den zu restaurierenden antiken Fotografien schaute nur total verdutzt und ich entschuldigte mich bei ihm, dass er in dieses Geschehen hinein geraten war. Er meinte “Ich glaube, das war echt mal überfällig mit dem Typen” und grinste mich an.  Es geschah danach nicht sehr viel. Der alte Sack hatte sich zwar massiv über mich beschwert, aber was hätte mein Vorgesetzter sagen sollen. Ich hatte mich nicht falsch verhalten. Es wurde vereinbart, dass ich Herrn Depp keinesfalls mehr bedienen dürfte. Darüber war ich natürlich äußerst traurig… hahahhhaaaa.

Keine Ahnung ob der noch lebt. Vermutlich schon. Es war eine äußerst drahtige, ausgemergelte Kreatur. Sowas konserviert. Er war damals bestimmt in seinen späten 60ern und müsste dann entsprechend heute so um die 85 / 90 sein. Doch ich bin mir fast sicher, dass dieser fiese kleine Arsch noch lebt und vermutlich in einem Altersheim die Pflegerinnen tyrannisiert.

Diese Geschichte soll mir verdeutlichen dass jede beschissene Situation irgendwann vorüber war. Ich habe Herrn Depp schon seit 1997 nicht mehr sehen müssen und kann mich nicht einmal mehr an seinen richtigen Namen erinnern. So ähnlich wird es spätestens in weiteren 23 Jahren (eher schon viel früher) mit Leuten sein, die mir im Hier und Jetzt das Leben schwerer machen als es sein müsste. Wenn es also so oder so zwangsläufig in absehbarer Zeit irrelevant sein wird, dann muss es mich jetzt auch nicht belasten oder aufregen. This too shall pass. Auch dies wird vorüber gehen!

Meine geliebten Barbaren

Wie schon einmal in einem Blogbeitrag erwähnt, sind unsere Kinder nicht gerade mit einer guten Kinderstube gesegnet, was ihr Essverhalten anbelangt. Sie sauen ihr Speisezimmer in Sekunden ein und werfen mit ihren süssen Pfötchen das Essen aus den Näpfen und verschmieren es schön auf dem Boden… manierliches Essen sieht anders aus! Um die Katzenklos ist ebenfalls ein mindestens 2 Meter Streukreis, der täglich mehrfach gekehrt werden muss.

Des Nachts sind sie gerade besonders hungrig und ich treudoofes Schaf stehe jede Nacht zweimal auf, um die hungrige Bande zu füttern, Aber nicht nur der Hunger veranlasst sie, mich zu wecken. Es kommt schon gehäufter vor in letzter Zeit, dass sie schmusen, spielen und kuscheln wollen. Oder sie scharren so lange auf dem Klo, dass ich schon die Befürchtung habe, sie könnten in Australien raus kommen.

Meine Nächte sehen derzeit so aus:

1:20: Ich erwache unsanft aus meinem Schlaf, weil mein gefleckter Sohn meine Nase schon seit einigen Minuten mit seiner Pfote bearbeitet. Er will unter meine Decke und mit mir kuscheln. Ok, er liegt zwei Sekunden unter der Decke und ihm fällt ein, dass ihm das zu warm ist. Jetzt will er fressen. Ich schleppe mich trantütelig im Halbschlaf aus dem Bett und fülle die Näpfe. Die drei Söhne fressen, das schneeweisse Mädchen hat keinen Appetit. Jetzt will sie unter meine Decke. Nach gefühlten 3 Sekunden hat auch sie genug von der Wärme und will lieber auf mir liegen. Der rothaarige Sohn ist fertig mit seiner Speisung und findet, dass meine Kniekehlen ein wundervoller Platz sind, sich zu putzen. Er legt sich drauf und man hört ihn lautstark schmatzen und an seinem Fell zupfen. Körperpflege ist bei ihm immer eine etwas lautere Angelegenheit. Der grau-weiss gefleckte Sohn ist gesättigt. Er will jetzt spielen. Er rennt dazu in den Keller und maunzt so lange und laut, bis ich aufstehe und schaue, was er hat. Im Keller angekommen, sieht er mich erwartungsvoll an. Er will hoch getragen werden. Ich hieve den 9,3kg leichten Kater auf meinen Arm und trage ihn zwei Stockwerke nach oben. Er springt leichten Fusses aufs Bett und nimmt dort einen exorbitant großen Raum ein. Ich fädele mich irgendwo zwischen die drei Katzen die dort jetzt liegen. Der dritte Sohn ist inzwischen auch fertig mit seiner Nahrungsaufnahme und kommt auch noch ins Bett. Es ist derjenige, der gerne meine Nase mit seiner Pfote malträtiert. Wenn ich nicht sofort reagiere, sprich aufwache, auch gerne mit ausgefahrenen Krallen. Dieser braun-schwarz gefleckte Schatz will jetzt kuscheln. Dazu wirft er sich neben meinen Kopf und schleudert mir seinen buschigen Schweif ins Gesicht. Zusätzlich lässt er noch einen fahren und es stinkt, als ob ich neben einem Güllefass schlafen würde. Wie kann ein so kleines zierliches Wesen so einen Gestank fabrizieren? Es ist mir unerklärlich.

Der rote Herr, der es sich wieder auf meinen Kniekehlen bequem gemacht hat, ist fertig mit der Fellpflege und ist eingeschlafen. Er schnarcht lautstark. Die kleine weisse Prinzessin fühlt sich vernachlässigt und maunzt mir aufdringlich ins Ohr. Ich kann mich aber schlecht drehen, weil der Schwanz des braun-schwarzen Katers noch in meinem Gesicht ist und er freudig schnurrt. Also verrenke ich mich irgendwie und verdrehe meinen Arm so, dass ich die kleine Madame streicheln kann. Sie verfällt sofort in wohliges Schnurren. Der verspielte 9,3kg Kater kommt auf die Idee, das es an der Zeit wäre, wieder einmal “Harfe” zu spielen: Dazu legt er sich unter das Bett und zupft mit den Pfoten an den Metallstreben des Lattenrostes. Mein Mann und ich stehen senkrecht im Bett. Das Konzert ist nicht sehr schön für unsere Ohren, was den Kater nicht weiter stört. Unbeirrt zupft er weiter, bis ich gegen die Matratze klopfe und er endlich aufhört. Jetzt muss er aufs Klo. Er läuft die zwei Stockwerke in den Keller wo die Toiletten stehen und man hört ihn bis nach oben strullern. Es hört sich an, als ob ich vergessen hätte, den Wasserhahn abzudrehen. Jetzt ist scharren angesagt. Eine gefühlte Ewigkeit vergräbt er seinen Urin. Wir hören das Gescharre, als ob das Klo direkt neben uns stehen würde. Er ist fertig und maunzt. Es ist so einem kleinen Prinzen natürlich nicht zumutbar, mitten in der Nacht alleine wieder hoch zu laufen. Ich stehe also wieder auf und trage den gefleckten Brummer wieder nach oben.

Die Dame und die Herren schlafen ein und ich endlich auch. Bis um 4:39… das Spiel beginnt von Vorne… da ist wieder die Pfote, die meine Nase bearbeitet… ich schleppe mich noch schlaftrunkener als Stunden zuvor aus dem Bett, füttere die gnädigen Herrschaften und versuche wieder zu schlafen. Es gelingt mir tatsächlich für eine halbe Stunde wieder einzuschlafen, bis ich von der kleinen Dame als Trampolin missbraucht werde. Sie hüpft auf meinem Bauch herum. Die Kater finden das prima, dass ich jetzt wieder wach bin, denn sie wollen spielen, schmusen, knuddeln, unter meine Decke….einer der Kater macht jetzt unten sein großes Geschäft, das natürlich noch länger und sorgfältiger verbuddelt werden muss. Scharr scharr, buddel buddel maunz maunz erklingt es aus dem Keller. Als er endlich fertig ist, schreit er so lange… nun ja man kennt es ja schon… ich stehe auf, laufe runter, nehme ihn auf den Arm. Er schnurrt, die Welt ist wieder in Ordnung. Ich trage ihn hoch. Er stinkt… ich versuche meinen Kopf weg zu drehen, aber er springt dann einfach auch auf die andere Seite. So eine Duftmarke ist schließlich wichtig und kann nicht einfach so übergangen werden. Irgendwann übermannt mich wieder der Schlaf und ich verfalle in irre Träume, eingelullt vom Gestank der Flatulenz des  nur 3,9kg leichten Zauberwesens neben meinem Kopf.

Um 7:00 klingelt der Wecker. Ich erwache mit Augenringen und bin aufgrund einer fehlenden Tiefschlafphase wie gerädert. Ich mache mich für die Arbeit zurecht und lasse mir einen Kaffee aus der Maschine und schaue so durch den Raum. Alle vier Kinder schlafen einträchtig und friedlich auf dem Sofa. Sie schauen aus wie Engel. Ist ja auch kein Wunder, dass sie nun rechtschaffen müde sind, nach den Aktivitäten der Nacht. Ich gebe ihnen einen Kuss auf die Stirn und verlasse übermüdet und fertig das Haus. Ich kann ihnen keine Sekunde böse sein. Sowie sie mich anschauen, mit ihren Kulleraugen und ihren niedlichen Gesichtchen, bin ich eh nur noch ihre Marionette und mache alles, was die Herrschaften möchten. Wenn sie einen einmal anmaunzen und mit ihren Kulleräuglein anschauen, dann ist alles vergessen und ich schmelze dahin. Sie haben mich fest im Griff.

Brillenschlange

IMG_8091_pp

Heute war der Tag gekommen, den ich schon lange hinaus gezögert hatte. Ich habe meine erste Gleitsichtbrille vom Optiker abgeholt.

Warum ich mich so lange dagegen gewehrt habe? Die Gleitsichtbrille stand für mich irgendwie als Symbol dafür, dass ich jetzt endgültig alt geworden bin. Ich konnte keine Tageszeitung und keine Bücher mehr lesen und selbst mit meinen WhatsApp Nachrichten tat ich mich sehr schwer. Ich behalf mich mit einer Vergrößerungslupe. Aber irgendwann erkannte ich selbst, wie bescheuert das ist. Immer alle Dokumente auf DinA3 kopieren und danach immer noch die Lupe zu benötigen, macht die Augen nicht besser und es ändert nichts an dem Umstand, dass ich eine Gleitsichtbrille brauchte. Deshalb ging ich vergangene Woche tapfer zum Optiker und lies mir die oben ersichtliche Sehhilfe anfertigen. Ich tue mich noch etwas schwer damit. Es ist schon gewöhnungsbedürftig und nach drei Stunden Tragezeit habe ich jetzt erstmal Kopfschmerzen. Ich hoffe, dass sich das gibt und ich mich schnell an das neue Tool gewöhne. Eigentlich bescheuert, dass ich mich so lange dagegen gesträubt habe. Es sieht doch eh keiner, dass es eine Gleitsichtbrille ist.