Lästerschwester

Einer meiner Neujahrsvorsätze – oder besser gesagt hatte ich diesen Vorsatz schon im Sommer letztes Jahr gefasst – ist, dass ich nicht mehr “lästern” will. Das ist gar nicht so leicht.

Es sind scheinbare “Kleinigkeiten”… zum Beispiel gibt es da den Mann, den ich morgens immer sehe, wenn ich zur Arbeit gehe. Ich grüße ihn seit 2,5 Jahren jeden Morgen und er mich nie. Ich nenne ihn insgeheim “den Grimmigen”. Dann ist da noch der “Poloshirttyp”. Ein Mann unschätzbaren Alters der zu jeder Jahreszeit ein gelbes Poloshirt trägt. Ich hoffe wohlwollend für ihn, dass er mindestens einen Doppelpack davon gekauft hat.

Dann gibt es auch noch die Frau mit der “Helmfrisur”, die “Proll-Teenager” im Bus, das “Pausbackengesicht”… natürlich begegnen mir im Laufe des Tages auch die “Frau mit dem netten Lächeln” und der “nette Busfahrer”, der “angenehme betagte Herr”, die “liebe Frau aus der Nachbarschaft” etc. Dennoch sind da die negativen Bewertungen in meinem Kopf. Schubladen in die ich diese Menschen stecke. Was steckt dahinter? Warum trägt die Frau diese Helmfrisur? Will sie sich damit unterbewusst vor der Außenwelt und wertenden Menschen (wie mir) schützen? Warum hat der Poloshirttyp immer ein gelbes Poloshirt an? Friert es ihn nie? Er trug es heute und es hatte -7°C Außentemperatur. Warum grüßt mich der Grimmige nie? Ist er einfach ein Morgenmuffel (wie ich auch) und ist einfach vor 8 Uhr morgens nicht ansprechbar?

Die Dame mit der “Helmfrisur” begegnete mir über Monate immer wieder am selben Ort. Es war echt beinahe schon unheimlich. Ich war an verschiedenen Tagen zu absolut unterschiedlichen Zeiten in einer Bäckerei und jedes mal traf ich dort die Frau mit der Helmfrisur.  Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass man zu komplett unterschiedlichen Zeiten immer dieselbe Person trifft, selbst wenn sie dort in der Nähe wohnen sollte? Ist es Lästern, wenn ich sie insgeheim “Helm- oder Betonfrisur” nenne? Nett ist es natürlich nicht.

Ich habe vor über einem Jahr angefangen, mich mit dem Bewusstsein zu beschäftigen. Ich habe “eine neue Erde” von Eckhart Tolle gelesen und war uneingeschränkt begeistert davon. Seither versuche ich, mein Ego zu erkennen. Manchmal gelingt es mir, aber manchmal – so wie heute – bin ich wieder meilenweit davon entfernt und sehr im Ego verhaftet.

Das Ego nährt sich von Schmerz und Leid und das habe ich mir heute selbst verursacht. Das Ego flüstert mir ein, dass ich ein böser Mensch bin, weil ich die Frau immer Helmfrisur nannte. Oder besser gesagt ein Teil meines Egos. Der andere Part will mir einreden, dass “ja andere Menschen die Frisur bestimmt auch als Helmfrisur bezeichnen” und ich sicher nicht die Einzige bin, die das denkt und dass Leute, die mich dafür “verurteilen” ja wohl selbst auch schon über andere hergezogen haben und gelästert haben.

Vielleicht ist das Ego gerade so aktiv, weil es merkt, dass ich es mehr und mehr durchschaue? Es wehrt sich mit Händen und Füßen.

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Der doofe Quatschkopf

in meinem Hirn war mal wieder äußerst einfallsreich.

Monatelang fühlte ich mich gut, bis der Quatschkopf mir gestern einredete, ich solle mich wiegen. Also zog ich die Waage heraus und stellte mich drauf. Oh Schreck! Ich wog doch tatsächlich 4kg mehr, als beim letzten wiegen. Wann das war, weiss ich nicht mehr so genau. Vielleicht vor 1,5 Jahren?

Meine Klamotten zwickten nicht und nichts war zu eng geworden. Ich fühlte mich auch mit den zusätzlichen 4kg recht wohl in meinem Körper. Bis gestern!

Seit ich die scheinbar erschreckende Zahl auf dem Display der Waage sah, flüstert mir die Stimme in meinem Kopf zu: “Du musst echt was unternehmen, so kannst Du doch nicht ins Frühjahr starten und denk schon mal an den Sommer! So fett kannst Du nicht an den See. Zumindest nicht im Bikini. Du darfst diese Woche nur noch die Hälfte essen und Du musst Dich körperlich betätigen, bis Dein Gewicht, wieder akzeptabel ist”. Diese Stimme will mich überzeugen, dass ich sonst nicht mehr ansehnlich bin. Bis gestern Mittag war noch alles ok, aber seit ich die Zahl sah, nicht mehr.

4kg sind jetzt echt nicht die Welt, aber ehrlich gesagt, wog ich noch nie so viel, was mich erschreckt hat. Ich habe nichts an meiner Lebensweise geändert. Vielleicht wog ich letzten Winter genauso viel, nur wusste ich es nicht, weil ich mich nicht gewogen hatte?

Die Tiere in der Natur wiegen im Winter auch mehr als im Sommer. Unser Stoffwechsel passt sich ja der Jahreszeit an. Muss man immer das gleiche Gewicht haben? Je mehr ich meine Aufmerksamkeit diesem Thema widme, um so schlimmer macht der Quatschkopf in meinem Oberstübchen das Ganze vermutlich.

Wenn er mir mal wieder mit einem dummen Spruch daher kommt, dann werde ich diesem Deppen aber mal gehörig die Meinung sagen!

Natürliche Schönheit

gestern hatte eine meiner Freundinnen ein entzündetes Auge und konnte sich deshalb nicht schminken. Sie war sich unsicher, ob sie so ohne irgendwas aus dem Haus könne, mit ihrem puren Gesicht. Wenn sie es mir vorher nicht erzählt hätte, wäre es mir gar nicht aufgefallen, als wir uns dann trafen. Sie sah genauso schön aus, wie immer.

Das hat mich dazu inspiriert, heute auch ungeschminkt das Haus zu verlassen. Es erfordert wirklich Mut, denn komplett ungeschminkt sehe ich so aus:

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Mit all meinen Fältchen, Mitessern auf der Nase, Hautunreinheiten und struppigen Augenbrauen, die nicht lange in Form bleiben ohne Fixierer.

Klar, würde ich viel lieber so ausschauen:

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aber das schafft nichtmal meine befreundete Visagistin, sondern nur ein Bildbearbeitungsprogramm.

Die Werbung, Frauenmagazine etc, suggerieren uns aber, dass dies das erstrebenswerte Aussehen sei. Auch die Stars sehen ohne ihre Make-up Artists und Friseure nicht so glamourös aus. Auch wenn sie durchgestylt sind, werden die Bilder noch bearbeitet. Es sei denn, die Zeitschrift plant gezielt eine dieser fiesen “So sehen die Stars ungeschminkt” Aktionen, wo sie dann extra unvorteilhafte Bilder veröffentlichen. Überwiegend werden aber die Scheinbilder veröffentlicht. Mit ungeschminkten Stars lässt sich kein Make-up, kein Parfüm und keine Kleidung verkaufen.

Das Alles gaukelt uns “Normalsterblichen” vor, dass man mit all diesen Produkten auch so aussehen könnte, wie die Stars. Dazu gibt es 10 Minuten Make-Up Tipps. Wenn ich die ausprobiere, dann schaue ich aus, als wäre ich in einen Boxkampf verwickelt gewesen.

Ich mag Youtube Tutorials lieber. Dort sehe ich, wie die Frauen ungeschminkt aussehen und dann zeigen sie Schritt für Schritt wie es geht, und selbst Schminklegastheniker wie ich machen Fortschritte und das Make-up sieht nicht mehr aus, als ob ich beim Kinderschminken gewesen wäre.

Wir sollten öfter den Mut haben unser ungeschminktes Gesicht zu zeigen. Denn mit all seinen Fältchen und Pickelchen kann es durchaus schön sein. Perfektion wird komplett überbewertet.