Euphoria ist für mich nur ein Parfüm

Ich kenne Leute, die sind wirklich immer von etwas komplett ergriffen. Sie erleben magische Momente, inspirierende Wochenenden. Sie lernen charismatische Menschen kennen und es vergeht keine Woche, wo sie nicht von ganzem Herzen von solchen Erlebnissen und Begegnungen erfüllt sind.

Und ich so? Bei mir heißt nur mein Lieblingsparfüm Euphoria. Es gibt kaum jemand oder etwas, was mich wirklich beeindruckt. Nichts berührt mich so sehr, dass ich mir mit beiden Händen ans Herz fassen müsste, weil ich so unendlich davon beseelt wäre. Andere Menschen beeindrucken und inspirieren mich eher selten und niemals so, dass ich davon hin und weg wäre. Bin ich abgestumpft oder einfach schwerer zu beeindrucken?

Ich finde Sonnenuntergänge, Regenbögen und schöne Landschaften toll. Euphorische Luftsprünge mache ich deswegen aber noch lange nicht. Es gibt ein paar Lieder, die Glücksgefühle in mir auslösen. Eines davon ist “Temple of love” von den Sisters of Mercy. Ich höre es aber selten, weil ich weiss, dass es sich abnützen würde, wenn ich es zu oft hören würde. Das ist mir schon einmal passiert. “Down under” von Men at Work war einmal eines meiner Lieblingslieder. Doch ich hörte es zu oft und es nutzte sich ab. Irgendwann konnte ich es nicht mehr hören. Inzwischen geht es wieder, aber es ist keines meiner Lieblingslieder mehr. Diesen Status hat es leider durch die Abnützung eingebüßt.

Nutzt sich die Euphorie der Momente und Begegnungen bei den besonders euphorischen Menschen niemals ab? Fühlen sie einfach mehr als ich? Bin ich ein zu pragmatisch veranlagter Mensch und es entspricht nicht meiner Mentalität schon, überspitzt gesagt, allein beim Anblick eines Marienkäfers (Marienkäfer sind auch echt toll, ich mag sie auch gerne) in Glückstränen auszubrechen? Bin ich emotional einfach etwas simpler gestrickt oder gar gestört?

Das würde auch meine fehlende romantische Ader erklären. Blumen finde ich morbide, Feuerwerke sind für mich Umweltverschmutzung und Lärmbelästigung zugleich. Lichternächte finde ich langweilig und die vielen Menschenmassen schrecken mich ab. Lasershows schaue ich achselzuckend an und weiss nichts damit anzufangen. Sehenswürdigkeiten und Momente schaue ich mir an, aber sie lösen nichts in mir aus.. Großen Rednern höre ich zu, picke mir das raus, was für mich stimmig ist und vergesse den Rest. Ich wäre aber niemals gefährdet, einem Schneeballsystem ins Netz zu gehen oder einem Guru hörig zu werden. Sowas würde ich ziemlich sicher durchschauen, weil mich das eben nicht beeindrucken würde Menschen, die im Allgemeinen als charismatisch angesehen werden , stehe ich neutral gegenüber. Ihr Charisma prallt an mir ab. Es ist also nicht unbedingt immer ein Nachteil, eben nicht von allem ergriffen und begeistert zu sein. Vielleicht ist es sogar ein Vorteil, wenn man vieles so distanziert und emotionslos betrachtet, wie ich das Meiste in meinem Leben betrachte.

Ach nein, ich hätte es fast vergessen. Es gibt doch Einges, das mich begeistert und nachhaltig beeindruckt  Nur sind das in den wenigsten Fällen Menschen, aber Tiere schaffen das einfach durch ihr bloßes Dasein. Die Krähe, die vor meinem Bürofenster auf dem Geländer balanciert begeistert mich. Die Amseln, die in unserem Rosenbusch wohnen und nach dem Regen den Rasen nach Käfern und Würmern absuchen lassen mein Herz hüpfen. Der Grünspecht, der mich ab und zu besucht ebenso. Ein Blick in die Augen meiner Katzen und ich bin glücklich. Ganz so abgestumpft bin ich wohl doch nicht, sondern einfach nur wählerischer und selektiver im Verteilen meiner Euphorie.

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Damit will ich selbstverständlich nicht ausdrücken, dass es verkehrt wäre, wenn man alles euphorischer erlebt. Das freut mich für die Leute. Sehr sogar. Es muss toll sein, von beinahe allem ergriffen zu sein und alles intensiv zu fühlen. Ich habe lediglich für mich versucht zu hinterfragen, ob ich “gestört” bin, weil ich nicht so bin.  Ich kam zu der Erkenntnis, dass alles seine Berechtigung in der Vielfalt der unterschiedlichen Charaktere hat und es kein “falsch” oder “richtig” gibt.  Es ist nichts verkehrt daran, euphorischer zu sein, jedoch auch nichts, wenn es so ist wie bei mir: Wenn nur das Parfüm sozusagen “euphorisch” ist.

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