Die beste Fotografin der Welt

bin ich sicher nicht. Habe ich auch nie behauptet und will ich auch gar nicht sein. Fotografieren bereitet mir Freude und noch mehr freue ich mich, wenn ich andere Menschen mit meinen Bildern glücklich mache. Wenn ich sehe, dass eine meiner Freundinnen fast wöchentlich ihr Profilbild wechselt und es jedes Mal eines meiner Fotografien ist, dann freue ich mich tierisch darüber. Nicht um mich damit zu profilieren, sondern weil es  mir zeigt, dass sie die Bilder gerne mag.

Vor einigen Jahren habe ich mal wirklich wunderschöne Portraits von mir selbst von einem Fotografen in einer Großstadt machen lassen. Es war ein Shooting mit Visagistin. Ich kam dort an und der Fotograf stellte sich vor, bat mich darum, mich vor eine weiße Wand zu setzen bei Neonlicht und dann fotografierte er mein Gesicht aus nächster Nähe mit vollem Flashlight.

Danach schminkte mich die Visagistin und stylte meine Haare. Das Shooting dauerte eine Stunde. Die Bilder waren grandios. ABER: ich bekam die CD mit den Bildern und ganz zu Anfang war dieses erste, ungeschminke Blitzlichtbild drauf. Obwohl ich natürlich weiss, dass er es gewollt so “dramatisch” gemacht hat, damit der Vorher-Nachher-Effekt größer war und bei so einer Vorgehensweise natürlich jede noch so kleine Falte zum Grand Canyon wird.  Doch trotzdem nagte dieses eine Bild stark an meinem Selbstwertgefühl.

Rational konnte ich mir natürlich sagen “bei so einer Aufnahmetechnik schaut sogar eine 16Jährige unvorteilhaft aus”, doch das kleine Minderwertigkeitsmonster war gefüttert. Egal wie supertoll ich die anderen Bilder fand, ein kleines Teufelchen flüsterte “aber in echt schaust Du so aus, wie auf dem ersten Bild”. Es hat mir die wirklich wundervollen Bilder regelrecht verleidet, weil ich sie für eine Illusion hielt und in dem furchtbaren ersten Bild die Realität sah.

Auch ich mache gerne Vorher / Nachher Bilder, aber nicht so, dass die Leute davon Komplexe bekommen, nur um mein Ego als Fotograf zu puschen, sondern um die Wandlungsfähigkeit einer Person zu zeigen.

Bei mir werden garantiert auch die “Vorherbilder” schön inszeniert und nicht lieblos abgeblitzt. Auch ein natürliches, ungeschminktes Gesicht kann toll ausschauen und schön ausgeleuchtet werden. In diesem Fall ist dann das “gestylte Bild” nur eine weitere Facette der Persönlichkeit. Aus der natürlichen, netten Frau wird dann der sexy Vamp, die Hollywood Diva, die Rockerbraut, die Elfe, die Fee, die Prinzessin, das mondäne 20th Girl etcetcetc.

Vor zwei Wochen habe ich jedoch gänzlich versagt. Ich hatte ein Shooting mit einer hübschen jungen Frau. Wir hatten uns für 20 Uhr verabredet um die tolle Abendstimmung zu nutzen. Die Frau hatte jedoch einen sehr stressigen Tag hinter sich, fand keinen Babysitter, musste daher Tochter und Hund mit zum Shooting nehmen.

Das alles hemmte sie sehr und sie war ständig unter Strom. Wir hatten uns an einem See getroffen und die Tochter wollte noch schwimmen während wir die Bilder machten. Doch meine Kundin konnte sich nicht konzentrieren, weil sie ständig schaute, ob sie die Tochter noch schwimmend im See sah. An Entspannung war nicht zu denken und sie fühlte sich auch gehemmt durch die Zuschauer, die wir unfreiwillig hatten, durch Fremde, die am See grillen wollten.

Das Ganze lief ungefähr so ab: meine Kundin saß auf dem Steg, das Kind schwamm irgendwo im See, der Hund hüpfte permanent um uns herum und Bekannte standen rauchend am Ufer. Dazu noch die Fremden, die uns zuschauten. Irgendwann lies ich mich von der Hemmung und der Angespanntheit anstecken. Es waren die mit Abstand schlechtesten Portraits, die ich je gemacht habe.

Ich hatte vor einiger Zeit schon einmal dieselbe Kundin fotografiert, aber da waren wir alleine und die Bilder wurden klasse. Wir trafen uns damals auch an einem Samstagnachmittag und nicht abends abgehetzt nach der Arbeit. Die Frau war entspannt und fühlte sich wohl und ich auch. Die Bilder wurden schön und die Frau freute sich voll über die Bilder. Von dem Shooting am See waren höchsten 2-3 Bilder brauchbar. Ich hatte versagt, ich konnte ihr die Unsicherheit nicht nehmen und hatte mich selber davon anstecken lassen.

Auch ich darf einen schlechten Tag haben. Die Kundin musste die Bilder auch nicht bezahlen. Sie bekommt ein Ersatzshooting aber ich habe sie eindringlich darum gebeten, dass wir dann wieder alleine sein sollten. Sie war ganz meiner Meinung.

Wie gesagt, ich habe nicht den Anspruch die technisch perfekteste Fotografin der Welt zu werden oder zu sein. Ich möchte dass den Leuten die Bilder gefallen, dass sie sie gerne anschauen, ohne Komplexe und ohne Gedanken, wie ich sie nach meinem Shooting hatte. Dafür müssen sie nicht 1000% technisch perfekt sein und sie müssen garantiert keine Preise gewinnen. Wenn die Kunden mir sagen oder schreiben “Wow! Die Bilder gefallen mir voll gut” oder gar “Du hast mich genau so getroffen, wie ich mir selbst am besten gefalle”, dann habe ich alles richtig gemacht.

Meine Bilder findet Ihr unter Animalischgut

 

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