Vor zwei Wochen hatte ich ein Déjà-vu. Meine beste Freundin und ich waren in einem Wellnessbad und dort trafen wir eine Frau, die meiner 2015 verstorbenen Freundin zum verwechseln ähnlich sah. Dieselbe Frisur, eine ähnliche Brille, sogar die Mimik war fast gleich.
Ich habe meinen Frieden mit ihrem frühen Tod gemacht. Wir hatten damals darüber gesprochen und auch für sie war es ok, zu gehen. Deshalb tat mir der Anblick der Doppelgängerin nicht weh. Es weckte nur gute Erinnerungen und gab mir kein schlechtes Gefühl.
Die Eltern der Freundin waren damals komplett mit ihrem Sterben überfordert und wollten es nicht wahrhaben. Es ist für Eltern wahrscheinlich das denkbar Schlimmste, wenn man sein Kind beerdigen muss.
Weil ihre Eltern mit ihrem baldigen Tod überfordert waren, war es so, dass ich bis kurz vor ihrem letzten Atemzug alleine mit ihr war. Später war eine Krankenschwester von der Palliativstation mit mir bei ihr. Wir wussten, dass es zu Ende geht und die Station hatte die Verwandten und mich ja auch entsprechend informiert.
Ich hatte wiederum eine Bekannte informiert, die in der Stadt wohnte, in der sich die Palliativstation befand. Sie wohnte nur unweit der Klinik und ich wollte ihr die Chance geben, sich von der Freundin zu verabschieden. Die Lieblingskollegin der Freundin hatte ich ebenfalls angerufen, doch sie sagte mir, dass sie das nicht könne und sie nicht genügend Kraft dafür hätte.
ALs ich schon gar nicht mehr damit rechnete, kamen die Eltern kurz vor Schluss doch noch und auch die Bekannte aus der Stadt erschien in letzter Sekunde. Ich glaube sogar, dass meine Freundin so lange gewartet hatte, bis alle endlich da waren. Als das Herz aufhörte zu schlagen, informierte ich die liebe Krankenschwester, diese bestätigte unsere Beobachtung. Sie öffnete das Fenster, wir warfen noch einen letzten Blick auf die Freundin, aber ich wusste und spürte, dass es nur noch die leere Hülle war, die sie zurückgelassen hatte.
Die Bekannte aus der Stadt und ich ließen die Eltern mit dem Leichnam alleine und verzogen uns in den Ruheraum. Dort fing die Bekannte an zu schreien und zu toben “Warum musste sie so früh sterben, sie war doch noch so jung, das hat sie nicht verdient”. Ihr Wehklagen störte mich! Es fühlte sich für mich an, als ob sie etwas Heiliges entehren würde. Ich packte sie an den Schultern und sagte eindringlich “Hör auf damit, der Tod ist keine Strafe! Was wissen wir schon, weshalb sie so jung starb. Alles was wir sehen ist nur ein kleines Puzzleteil. Ja, sie wurde uns genommen, aber woher wollen wir wissen, weshalb? Wir kennen das große Ganze nicht: Vielleicht musste sie so früh gehen, damit sie ihre nächste Inkarnation rechtzeitig erleben kann. Vielleicht hat sie in diesem Leben alles erlegt, was sie erleben wollte. Hör auf so rumzuschreien”.
Sie wurde ruhig und wimmerte nur noch leise vor sich hin. Die Schwester kam zu mir und sagte “Das haben sie klasse gemacht. Genau so ist es”. Ich hatte seit diesem Tag mit dieser Bekannten nur noch sporadisch Kontakt und mit der besten Kollegin der Freundin gar keinen mehr. Dafür treffen wir uns immer noch so 2-3x pro Jahr mit den drei Nichten der Freundin, was immer sehr schön ist.
Ich habe nach dem Tod sehr oft und lebhaft von der verstorbenen Freundin geträumt. Einmal glaubte ich sie nachts neben meinem Bett zu sehen, wie sie beruhigend über mein Haar strich. Eines Nachts träumte ich, dass sie ganz lange Haare hatte, was sie sich zu Lebzeiten immer gewünscht hatte. Ein andermal sagte sie im Traum zu mir, dass sie noch immer Teil meines Lebens sein wolle und ich sie so behandeln solle wie früher, als sie noch lebte. Letztendlich träumte ich vor einiger Zeit, dass sie sich verabschiedete und mir sagte, dass sie ein neues Leben beginnen wird. Seither habe ich auch nicht mehr von ihr geträumt.
Natürlich vermisse ich sie und denke “Dazu hätte sie jetzt das oder das gesagt” und manchmal kommen Erinnerungen hoch und es gibt Begebenheiten und Situationen über die ich mich aufrege oder über die ich lache, die nur sie verstanden hätte. Dennoch hatten wir Zeit uns zu verabschieden und ich habe meinen Frieden mit ihrem frühen Tod, weil ich weiss, dass ich alles getan habe, was mir möglich war. Ich war für sie da, als sie mich gebraucht hat, ich habe alles Menschenmögliche versucht, ihr zu helfen. Sie sagte auch zu mir, dass sie keine Angst hätte zu gehen, weil sie ja ein guter Mensch war und nichts zu befürchten hätte.
Sie sagte mal, dass es ihr leid tue, dass sie mir das was ich für sie getan hätte nicht zurück geben könne und ich entgegnete, dass sie das doch auch nie hätte müssen. Unsere Freundschaft war bedingungslos. Und wer weiss schon, ob sie es mir nicht eines Tages zurückgeben kann. Vielleicht hat sie das aber auch schon in einem früheren Leben getan. Auch hier kennen wir das Gesamtbild nicht. Vielleicht kennen wir uns schon seit vielen Leben oder aber wir werden noch weitere Leben zusammen erleben auf die eine oder andere Art.