Echt jetzt?

Es gibt Momente in meinem Leben, wo ich denke “das kann doch nicht Eurer Ernst sein?”. Doch, die meinen das Ernst, Bierernst sogar.

Mir fehlt die Leichtigkeit und der Spass in meinem Leben und das gänzlich unabhängig von Corona und der Lockdown-Situation.

Ich würde gerne wieder sorglos sein. Ausgelassen und Lebensfreude verspüren. Wieso muss alles so seriös sein? Das ist so sterbenslangweilig. Ich möchte nicht mehr in so einer Ernsthaftigkeit und Seriosität leben. Tief in mir bin ich nicht nur eine Hippie-Seele, ich habe auch rebellische Anteile in mir. Ich hätte gerne etwas mehr Anarchie, habe aber nicht mehr den Mut dazu.

Wenn ich mutiger wäre, würde ich Schabernack treiben, Unfug anstellen, ich wäre total albern. Unangepasst und anarchisch.

Früher war ich das viel mehr als heute, aber es wurde mir gehörig abtrainiert. Ich kann mich noch gut an eine Schulstunde erinnern, in der mein Klassenlehrer meine Hausarbeit für alle sichtbar hochhielt und sagte, dass ihm noch nie so eine ungehörige Frechheit untergekommen wäre. Es war eigentlich ein Versehen. Aber von Vorne: es muss ungefähr in der 11ten oder 12ten Klasse gewesen sein. Wir sollten im Fach Betriebswirtschaft (es war ein Wirtschaftsgymnasium) irgend etwas darstellen. Was genau, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich weiss nur noch, dass ich das Thema mega öde und langweilig fand.

Um es für mich interessanter zu gestalten, hatte ich die im Beispiel dargestellte Person – als damals echt großer Fan des Mad-Magazins – als Alfred E. Neumann benannt, wohnhaft in Madhausen in der Madstrasse etc. Ich hatte das nur für mich gemacht, um das trockene Thema für einen kreativen Menschen wie mich etwas phantasievoller zu gestalten. Es half ungemein und als ich es fertig hatte, schrieb ich es quasi nochmals ins “Reine”, damit es eine seriöse Arbeit ergab. Als ich die Hausarbeit am nächsten Tag abgeben musste, verwechselte ich die Versionen und gab die “Unreine” ab. Der Lehrer empfand es als persönlichen Affront gegen ihn. Ich hatte ihn bis zu diesem Tag eigentlich für recht liberal und offen gehalten, wurde aber eines Schlechteren belehrt. Er machte komplett zu. Er hörte mich auch nicht an, als ich versuchte ihm zu erklären, dass ich die Versionen schlicht verwechselt hatte. Ich gab ihm die “ordnungsgemäße Variante”, aber er sah sie sich nicht einmal an. Er blieb bei der 6, die er mir dafür gegeben hatte und wechselte mehrere Wochen kein Wort mit mir. Irgendwann war sein Groll verflogen und er war wieder normaler, ganz so wie vorher wurde es aber nie wieder zwischen uns.

Es gab trotz dieses Einschnitts immer wieder leichtes Aufflackern der Rebellin in mir. Als ich vor Jahrzehnten in einem Fotogeschäft jobbte und für die Dekoration des Schaufensters zuständig war, schmuggelte ich versteckt ein paar kleine Jägermeisterfläschchen ins Fenster. Sie fielen erst auf den zweiten oder dritten Blick auf und vielen Menschen gar nicht. Mein ehemaliger Chef, sah es natürlich und es gab eine ordentliche Standpauke.

An Karneval erschien ich dort ein andermal verkleidet als Councelor Deanna Troi aus StarTrek. Dazu konnte der Chef aber nichts sagen, denn es war ja nichts Anstößiges, was ich trug.

Jahre später brachte ich ernsthaft ein Raclettegerät mit ins Büro und brutzelte mit ein paar gleichgesinnten Kollegen tatsächlich ein paar Pfännchen. Man konnte den Geruch des Raclettekäses noch drei Stockwerke weiter nur allzu deutlich riechen. Es hatte keine Konsequenzen, ausser schrägen Blicken.

Wir bestellten auch mal aus dem Ausland Cocktailpulver, welches man wie Brause mit Wasser anrührte und somit quasi Instant Cocktails mixen konnte. Ich war an dem Tag ziemlich besoffen, aber zum Glück wurde es anscheinend nicht bemerkt.

Während einer Jubiläumsfeier fand ein Gottesdienst statt und dieselben Kollegen wie oben erwähnt und ich hatten in der Nacht zuvor Erdbeeren in Rum eingelegt und zum Frühstück gegessen. Wir waren so betrunken, dass wir – während der Kirchenchor sang – laut “for whom the bell tolls” von Metallica grölten. Das hörte das gesamte Unternehmen, aber niemand verlor je ein Wort darüber. Ich weiss bis heute nicht, wie ich an dem Tag nach Hause gekommen bin, aber ich erinnere mich deutlich daran, dass ich morgens um 10 schon richtig schön angeschickt war.

Wenn ich so darüber nachdenke, ist es schon mindestens 10 Jahre her, seit ich das letzte mal etwas Unkonventionelles getan habe. Das “Rebellischste” was ich in den letzten 8 Jahren tat, war das Tragen von zu kurzen Kleidchen um eine gewisse Person zu ärgern. Ganz schön traurig. Das muss sich wieder ändern. Ich brauche diesen Unfug. Ich kann nicht immer so angepasst und konventionell leben. Diese konservative Welt ist nicht die Meine. Das Leben ist zu kurz um es immer so ernst zu leben. Wenn ich mal alt und am sterben bin, will ich nicht bereuen, dass ich immer versucht habe “es allen recht zu machen”, das ich immer alles “richtig” und korrekt gemacht und so unendlich uncool gelebt habe. Das würde ich ganz sicher bereuen. Ich bereue es ja jetzt schon, dass ich so lange so angepasst war. Mögen die subversiven Spiele wieder beginnen.

 

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