Dieses eine, spezielle Huhn

Kürzlich war ich mit meiner Mutter zu Besuch bei einer Bekannten meiner Mutter. Die Frau wohnt sehr abgelegen in einem kleinen Dorf mit maximal 5 Häusern mitten im Wald. Sehr idyllisch. Wir parkten etwas vom Haus entfernt vor einer Scheune und liefen Richtung Haus.

Auf dem Weg kamen wir an einem Hühnergehege vorbei. Als uns die Hühner sahen, liefen sie sofort auf uns zu. Eines stach dabei besonders heraus. Es lief irgendwie aufrechter, wie die anderen Hühner. Fast wie ein Mensch. Es sah aus, als ob es einen durchtrainierten Bizeps hätte. Es war süss und drollig anzuschauen, wie es zum Zaun rannte. Ich ging zum Zaun und redete mit ihnen und streichelte sie durch das Gitter hindurch.

Seither denke ich immer wieder an dieses Huhn. Als ob wir eine Verbindung hätten. Als ob es mich rufen würde.

Die Hühner leben dort zwar als Nutztiere, haben aber ein wirklich großes Gehege inmitten der Natur. Es geht ihnen dort verhältnismässig gut.

Wenn ich nochmal hin fahren würde, dann würde die Bekannt mir das Huhn bestimmt verkaufen und ich könnte es zu einem befreundeten Gnadenhof bringen. Dennoch müsste ich alle anderen zurück lassen. Sie würde mir niemals alle verkaufen und ich könnte auch alle gar nicht kaufen und unterbringen. Selbst wenn ich genug Geld und Platz hätte, würde die Frau neue Hühner kaufen. Wie gesagt, geht es ihnen – als Nutztiere – dort ausgesprochen gut und ich bin mir nicht einmal sicher, ob sie die Hühner töten. Auf jeden Fall nehmen sie sich die Eier. Die Frau hatte auch ein junges Kätzchen, das sie gerettet hat. Sie ist ein netter Mensch. Sie behandelt die Hühner bestimmt gut.

Dennoch lässt mir dieses ganz besondere Huhn keine Ruhe. Immer wieder denke ich an dieses wunderschöne Huhn. Was soll ich nur tun? Nochmals hin fahren und es holen? Werde ich es noch erkennen? Egal ob ich es erkenne oder nicht. Ich müsste quasi eines auswählen und die anderen zurück lassen. Dieses Dilemma habe ich immer wieder. Jedesmal, wenn ich an einem Hof oder einer Weide vorbei laufe und die Tiere sehe, in dem Wissen, welches Schicksal sie erwartet. Ich rede dann immer (manchmal nur in Gedanken, manchmal auch laut) mit ihnen. Ich sage ihnen, wie leid es mir tut und dass ich wünschte, ich könnte den Lauf der Welt ändern. Ich bin mir sicher, dass sie mich verstehen.

Ich hoffe inständig, dass die Menschheit endlich erkennt, dass alle Tiere unsere Schwestern und Brüder sind. Wir alle sind ein Teil der Natur. An dieser Stelle möchte ich den Philosophen Ernst Bloch zitieren: „Erst wenn die Menschen gelernt haben, eine Allianz mit der Natur einzugehen, werden sie mit Blick auf die Erhaltung der Natur handeln und die Bedürfnisse der ganzen Natur, der Pflanzen, Tiere und Menschen als gleichberechtigt begreifen.“

 

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