Es war einmal zu einer Zeit, als ich echt eine lustige Clique im Geschäft hatte.
Vor Weihnachten trafen wir uns alle in der Pause und tranken Punsch. Ein uns nicht sehr wohlgesonnener Kollege unterstellte uns, dass wir Alkohol getrunken hätten. Das sagte er uns natürlich nicht direkt ins Gesicht, sondern wir erfuhren es über andere Kollegen, dass der sich das Maul über uns zerrissen hatte. Wir kamen zuerst gar nicht darauf, wie er uns das unterstellen konnte, bis wir feststellten, dass es die Punschflasche gewesen sein musste, deren Erscheinungsform und Etikett einer Glühweinflasche wirklich zum verwechseln ähnlich sah.
Wir machten uns einen Tag später in der Mittagspause einen Spaß daraus, so zu tun, als wären wir reichlich angetrunken als er sich seinen Tee brühte. Als er wieder weg war, warfen wir die Punschflaschen in den Abfalleimer. Wir warfen noch anderen Müll oben drauf, weil wir uns sicher waren, was geschehen würde und es geschah auch exakt so: Kaum hatten wir die Kaffeeküche nach der Pause verlassen, schlich besagter Kollege rein. Wir sahen, wie er 5 Minuten später sichtlich enttäuscht wieder aus dem Raum schlich und als wir nachschauten, lagen die Punschflaschen ganz oben im Abfalleimer, nicht mehr ganz unten wie vorher. Wie groß muss seine Enttäuschung gewesen sein, als er sah, dass wir ihn verarscht hatten.
Wir hatten zuvor schon den Verdacht, dass der Typ ein mieser Denunziant ist, aber seit diesem Tag hatten wir absolute Gewissheit.
Damals stand ich über all dem Blödsinn und lachte nur darüber. Bin ich heute nicht mehr so belastbar wie früher? Mit Sicherheit. Ich bin dünnhäutiger geworden. Mein plüschiges Fell ist nicht mehr so dick, wie damals. 7 Jahre in meiner persönlichen Hölle haben mich geprägt und triggern mich noch heute. Wenn ich die Zeit zurück drehen könnte, würde ich einen ganz bestimmten Arbeitsplatz niemals mehr annehmen. Es hat mich nicht zum Guten verändert. Ich war früher souveräner, selbstbewußter, unangepasster.
Es gab Zeiten, da machten wir in der Mittagspause Raclette. Ich tanzte mal stocknüchtern auf dem Bürotisch zu Taio Cruz und ein andermal sprühten wir den Bürostuhl einer nach Schweiss stinkenden Kollegin so mit Deospray ein, dass er fast klebte. An einem schneereichen Nachmittag warfen wir im Flur Schneebälle aufeinander. Eine Kollegin versteckte sich vor einer unbeliebten Kollegin unter dem Schreibtisch, nur war der leider komplett einsehbar. Wir trieben so viel harmlosen Schabernack und hatten wirklich viel Spass.
Ich habe mir damals keine Gedanken darum gemacht. Die Leute hatten es redlich verdient. Heute mache ich mir um Alles und jeden kleinen Furz ewig einen Kopf. Wenn eine Freundin sauer auf mich ist, wegen einer Kleinigkeit, dann geht mir das ewig nach und mir ist körperlich schlecht. Früher hätte ich dazu gesagt “Jetzt krieg dich mal wieder ein, so schlimm wars auch nicht”, doch heute ist mir speiübel davon. Ich bin viel zu harmoniesüchtig geworden. Wenn ich Leute treffe, die schlecht gelaunt sind, denke ich, es läge an mir und ich müsse etwas unternehmen, damit die Stimmung gut wird. Ich denke immer, ich hätte irgendwas verursacht und es wäre “meine Schuld”, aber Fakt ist, dass ich nicht für jede Laune und jede Befindlichkeit verantwortlich bin.
Natürlich habe ich aus den 7 Jahren nicht wirklich ein richtiges Trauma wie Gewaltopfer, aber es ist schon so gewesen, dass ich mich oft für Begebenheiten und Situationen rechtfertigen musste, die absolut ausserhalb meines Einflussbereichs waren. Ich kann mich noch gut an eine Veranstaltung erinnern, wo ein paar der Gäste erst sehr spät eintrafen, weil es auf der Autobahn eine Vollsperrung gab und ich mich dafür rechtfertigen musste. Es gab auch echt täglich Situationen, wo der “Schnee schwarz” war, obwohl jeder wusste, dass er weiss ist. Einmal musste ich antanzen, weil ich den Posteingangsstempel nicht exakt im rechten Winkel gesetzt hatte. Viel Lärm um nichts und Dramen wegen Lappalien waren an der Tagesordnung. So etwas prägt auf Dauer.
Ich brauche wieder Leichtigkeit und Schabernack. Die unangepasste Sau muss wieder rausgelassen werden!