Wir waren kürzlich mit Bekannten indisch essen. Einer der Bekannten bestellte ein Gericht mit Lamm. Ich zuckte innerlich schon zusammen. Als das Gericht kam, probierte er es und schwärmte ungelogen 5 Minuten lang darüber, wie köstlich das Lamm wäre und lies es seine Begleiterin probieren, die es ebenfalls deliziös fand. Wir Veganer waren still geworden am Tisch.
Es war ein netter Abend und ich mag die Bekannten echt gerne. Trotzdem ist essen mit Omnis für uns Veganer immer sehr anstrengend. Wir sagten nichts zur Bestellung und wir kommentierten auch die Lobeshymnen auf das Lamm nicht.
Auf der Heimfahrt sagte ich zu meinem Mann “Weisst Du, das Schlimme daran ist, dass sie wirklich nicht das Lebewesen dahinter sehen”. Während wir sofort ein Lämmchen sehen und es für uns schon etwas sehr Barbarisches hat, Tiere allgemein zu essen, aber noch viel mehr, ein Tierkind zu verspeisen, sehen die meisten Menschen nur das Gericht und haben überhaupt keine Verbindung mehr zum Ursprung. Sie denken keine Sekunde darüber nach, dass das ein Schafkind war, was sie da verzehren.
Ich stecke jeden Tag in dem Dilemma, dass ich meinen Katzen zerstückelte andere Tiere füttern muss, sehe aber endlich Licht am Ende des Tunnels, weil es inzwischen ein Cultured Meat Katzenfutterprodukt aus Maus gibt. Sowie es das hier zu erwerben gibt, wird es gekauft. Das wird vermutlich innerhalb des nächsten Jahres geschehen und dann muss kein anderes Tier mehr für meine Katzenkinder sterben und leiden. Ich werde sie dann artgerecht füttern können, mit aus Hautzellen einer Maus gezüchtetem Fleisch.
Wir waren vor einigen Wochen ebenfalls mit Bekannten essen, die jedoch schon eine Stufe weiter in der Entwicklung waren. Sie wissen um die Verbindung zwischen dem, was auf dem Teller liegt und das dafür ein Tier sein Leben lassen musste. Der Mann sagte, dass er ein schlechtes Gewissen hat, aber ihm Steak so gut schmeckt. Auch sein Dilemma wird in sehr naher Zukunft durch gezüchtetes Fleisch gelöst werden.
Ich bin Realistin und denke, dass die überwiegende Menschheit für vegane Lebensweise zu ignorant ist und auch zu bequem. Ein Verwandter von mir ist zum Beispiel Vegetarier. Er weiss sehr wohl, dass er durch seinen Konsum unterstützt, dass die Kücken geschreddert werden (und selbst wenn er ausschließlich Bruderhahnprodukte kaufen würde, was ja gar nicht möglich ist, würden die Hähne nur einen Bruchteil ihrer natürlichen Lebensspanne leben dürfen) und die männlichen Kälbchen früh ihr Leben lassen müssen, während die weiblichen Kälbchen ausgebeutet werden, solange sie im gebärfähigen Alter sind und Milch geben können, wenn sie Kälber geboren haben. Er ist sich dessen sehr wohl bewusst, ihm ist die vegane Lebensweise aber zu aufwendig und anstrengend. Er sagt oft “Vegetarisch geht so nebenher”. Inzwischen ist das wirklich so, selbst im allerletzten Kuhkaff gibt es inzwischen in einer gutbürgerlichen Gaststätte zumindest ein vegetarisches Gericht (hierzulande sind es die obligatorischen Käsespätzle). Das war in den 80er Jahren, als ich Vegetarierin wurde noch sehr lange nicht so, von vegan mal ganz zu schweigen. In den 10 Jahren, in denen ich nun vegan lebe, hat sich jedoch sehr viel getan. Am Anfang musste ich alles Online bestellen oder im Reformhaus kaufen, doch jetzt bekomme ich alles was ich brauche selbst im kleinen Einkaufsladen bei uns im Viertel.
Ein ehemaliger Freund sagte mal zu mir “Erwachsen werden lassen sollte man die Viecher schon, bevor man sie isst”. Tja, leider werden die allermeisten Tiere nicht einmal Teenager bevor sie getötet werden. Auch er isst überwiegend Tierkinder. Warum sehen die Menschen das nicht, dass das grausam und barbarisch ist? Ich verstehe es nicht. Ist die menschliche Natur grausam und barbarisch? Nein, das glaube ich nicht. Ich habe noch Hoffnung, dass es nur an der Indoktrinierung und dem eingetrichterten Karnismus liegt, der langsam aber stetig bröckelt.