Gibt es so etwas wie Überverantwortlichkeit und was kann man dagegen tun?

Was mich diese Woche sehr zum Nachdenken gebracht hat, war die Aussage eines praktizierenden Buddhisten, dass Gedanken vor allem dem Denkenden selbst schaden. Er hat absolut recht! Auch ich schade mir sehr oft mit meinen Gedanken und wahrscheinlich fast alle anderen Menschen auch. Vielleicht Menschen wie Eckhart Tolle nicht, aber die kann man sicher an einer Hand abzählen.

Ich hatte schon immer die Neigung zum “Worst-Case-Szenario” und in Zeiten, wo es mir nicht so gut geht, verstärkt sich das noch. Damit meine ich nicht irgendwelche pessimistischen Weltuntergangsszenarien. In dieser Hinsicht bin ich ein unerschütterlicher Optimist. Die schlimmen Szenen denke ich mir zu beinahe alltäglichen Situationen aus. Ganz besonders wenn mein Selbstwertgefühl und mein Selbstbewusstsein im Keller sind. Dann denke ich, dass jede meiner Handlungen irgend etwas Furchtbares nach sich zieht. Nicht für mich, sondern da ist dann die unsägliche Angst, dass ich anderen schaden könnte. Durch Unachtsamkeit, durch Kleinigkeiten, durch irgend eine Arglosigkeit meinerseits, die ich mir dann in meinem Hirn zum Supergau zusammen bastle.

Diejenigen, von denen ich denke, dass ich ihnen durch irgend eine achtlose Bemerkung geschadet hätte, oder die ich womöglich durch irgend eine meiner Handlungen benachteiligt habe – die merken nie etwas davon und sind weder benachteiligt worden noch wurde ihnen durch mich Schaden zugefügt. So war es bisher in 99,9% aller Fälle, wo ich mir Horror -Geschichten ausgedacht hatte. Denn das waren es – Geschichten – nur in meinem Kopf real und existent.

Extrem gefördert wird diese  Neigung durch mein Umfeld. Ich bin leider sehr oft von Menschen umgeben, die alltägliche Belanglosigkeiten zu Dramen hoh stilisieren. Was spiegle ich, dass ich diese Situationen und Menschen anziehe? Wo muss ich in mich hinein hören und was muss ich ändern, damit das endlich ein Ende hat? Es wird eher schlimmer als besser. Nachts schrecke ich auf und bin mir nicht mehr sicher, ob ich etwas Bestimmtes in einen Vorgang eingefügt habe, bzw. ob ich etwas entfernt habe, das ich hätte entfernen müssen. Oder ob ich Person X auch nicht vergessen habe, etwas zu sagen. Dann gibt es noch Ansagen à la “Ich erzähle Dir jetzt was, aber das darf niemand wissen” – meist handelt es sich um “Geschehnisse,” die eh nicht zu verheimlichen sind, wie zum Beispiel, dass jemand schon fortgeschritten schwanger ist – im 7ten Monat und selbst für den Dümmsten erkennbar, “aber erzähle es bloss keinem”. Das sind so Szenen, wo ich gerne meinen Kopf gegen die Wand schlagen würde. Das kommt doch sowieso raus! All diese unnötige “Geheimniskrämerei” und unwichtigen Projekte, die zu einer Wichtigkeit aufgebauscht werden. Jeder banale Handgriff wird zum Staatsakt. Mein Verstand weiss, dass das alles total überzogen ist, dennoch überkommt mich kalter Angstschweiss. Klar, ich weiss, eigentlich ist das alles kein Beinbruch und nur absolut Triviales. Ich kann dadurch keinen roten Knopf drücken, oder einen Vulkanausbruch auslösen, und auch keinen Orkan entfachen, doch genau das Gefühl überkommt mich dabei. Als ob ich für ALLES verantwortlich wäre. Bei 80% aller Dinge die ich tue und die ich sage, hinterfrage ich sie inzwischen  mit “War das auch ok?”, “Bewirkt das wieder irgend eine Tragödie?, “Kann mir da wieder irgendjemand einen Strick draus drehen?”. Es sind die kleinen Dinge, die mich zermürben. Dieses ständige lauern einer “Gefahr”, Ich bin immer in Alarmbereitschaft. “Was erwartet mich heute wieder?”, Was habe ich jetzt wieder verursacht?”. Ich bin umzingelt von “Drama Baby Drama”. Drama-Queens so weit das Auge reicht.  Ich kann diesen “Anforderungen” nie gerecht werden und ich will es auch nicht.

Seltsamerweise bringen mich nur diese immer wiederkehrenden künstlich erzeugten Schauerspiele aus der Fassung.

Die letzten 6 Jahre waren immer wieder geprägt von Schicksalsschlägen und dem Verlust geliebter Menschen und Tiere. Doch da war ich stark. Das habe ich überstanden. Ich habe gesehen, wie mein Vater starb und wie meine beste Freundin innerhalb von 10 Monaten mehr und mehr vom Krebs eingenommen wurde, bis auch sie gehen musste. Ich stand ihr bei, ich war für sie da. Bei richtigen, echten Tragödien kann ich gestärkt aus ihnen hervorgehen. Was mich kaputt macht ist “Viel Lärm um Nichts” und die ständige Angst an den Erwartungen anderer zu zerschellen.  Vielleicht ist hier auch ein buddhistischer Ansatz ein Anfang: ich muss liebevoller mit mir selbst umgehen. Wenn ich wieder Gedanken der Überverantwortlichkeit habe, versuche ich sie passieren zu lassen und ihnen so wenig Energie zu schenken wie möglich. Wenn es mir nicht immer gelingt ist das auch ok.Vielleicht stoße ich so die Drama Queens ab? Weil ich ihnen dann keine Macht mehr gebe?

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