Was man bereut, wenn das Spiel zu Ende geht

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Ich erwachte heute und fühlte mich nicht wohl. Nichts wirklich Gravierendes – etwas Kopfweh, ein bisschen Halsschmerzen, leichte Übelkeit – doch ich spürte, dass mein Körper mir diese Signale sandte, damit ich mich auf mich selbst konzentrieren konnte.

Ich brauche diese Auszeit gerade nur für mich.

So hatte ich auf einmal viel Zeit und ich beschloss, mich auf die Terrasse zu setzen, das herrliche Spätsommerwetter zu genießen, mich mit gesunden Smoothies zu verwöhnen, meine Hand und Fußnägel zu verschönern und das oben abgebildete Buch zu lesen.

Schon lange brodelt dieses Thema in mir. Seit ich meine beste Freundin beim Sterben begleitet hatte, war mir deutlich bewusst geworden, dass auch meine Zeit hier endlich ist. Wenn alte Menschen sterben, ist einem das nicht so bewusst, wie wenn Menschen in noch jungen Jahren gehen müssen. Meine Freundin starb am 2. März dieses Jahres als junge Frau an Krebs. 10 Monate ging ihr Leidensweg mit allen Hoffnungen, Höhen und Tiefen bis zum Ende. Sie sagte wenige Tage vor ihrem Tod zu mir, dass sie zwar ihren Frieden damit gemacht hat, dass sie so früh gehen muss, aber dass sie es sehr bereut, nicht mehr im Leben riskiert zu haben.

Auch ich bin noch viel zu oft gefangen in meinem Sicherheitsbedürfnis, meiner Harmoniesucht und am allermeisten in meiner Angst, die mich regelrecht lähmt und fesselt. So verharre ich Stunde um Stunde, Jahr um Jahr in einem Leben, das nicht das ist, was ich wirklich leben will. Weil ich mir zu wenig zutraue, weil ich mich selbst und meine Gaben nicht genug ehre und schätze und weil ich so furchtbare Angst habe. Auch Angst davor, ich selbst zu sein – wenn ich all diese Rollen abgelegt habe, die ich in verschiedenen Bereichen meines Lebens spiele. Wenn nur noch mein wahres Selbst übrig bleibt. Unverfälscht und echt.

Wenn ich es wage, das zu tun, was ich liebe… was wenn ich dann kein Dach mehr über dem Kopf habe, keine Krankenversicherung, wenn ich meine Katzenkinder nicht mehr genügend versorgen könnte? Das sind meine allergrößten Ängste. Ich will auch Niemandem auf der Tasche liegen und mein eigenes Geld verdienen, mit dem, was mich von Herzen glücklich macht und mir Sinn gibt.

Wenn ich heute noch sterben würde, dann wäre da so Vieles, was ich bedauern würde.

Ich brauche nur zu springen… nur einen Schritt zu tun… aber ich habe unfassbare Angst vor dem Sprung ins Bodenlose. Dorthin, wo es kein Sicherheitsnetz mehr gibt, das mich auffängt. Ich weiß aber auch, dass das Leben zu kurz ist, um so weiter zu machen wie bisher. Zuviel Zeit habe ich schon vertrödelt, gefangen in dieser fürchterlichen Angst. So langsam Schicht um Schicht lege ich Ängste ab. Die Angst, davor, was andere über mich denken könnten, die ist nur noch ganz klein und flackert nur noch ab und zu auf. Ich weiss, dass sie schon in kurzer Zeit eine “neue Sau durch`s Dorf treiben würden”, diese “Leute”. Davon mache ich meine Entscheidungen nicht mehr abhängig. Bleibt noch die übergroße, schon etwas irreale Existenzangst, die an mir nagt und mir jegliche Handlungskraft nimmt. Doch wie davon loskommen?

Bronnie Ware schreibt, dass der erste Schritt diese Angst zu besiegen Selbstliebe ist. Das ist schon mal ein guter Anfang. Zumindest liebe ich mich sehr und verbringe wirklich gerne Zeit mit mir selbst. In seltenen Augenblicken bekomme ich sogar einen Hauch einer Ahnung meiner Einzigartigkeit (so wie auch jeder andere Mensch einzigartig ist und ein Teil der Göttlichkeit in sich trägt).

Ganz unabhängig davon, was andere über mich denken können, bin ich jedoch noch immer nicht. Es sind eher ihre Be- und Verurteilungen die ich fürchte., weniger ihre Gedanken. Ablehnung dafür was ich bin, was mich wirklich ausmacht und um das zu umgehen, schlüpfe ich in die Rollen, die sie akzeptieren können. Doch dieses verstellen macht mich täglich etwas energieloser. Es raubt mir gerade die Kraft, die ich für mich selber bräuchte. Niemand kann mein Leben leben, ausser mir selbst. Wenn ich am Ende etwas bereue, kann ich nur mich selbst dafür verantwortlich machen – sonst niemand auf der ganzen Welt. Nur ich habe es in der Hand. Ich kann mich weiter verstellen und anpassen und unglücklich sein, oder ich wage endlich den Sprung, egal, wo ich dann lande und wer dann noch zu mir steht.

Ich bestelle heute Mut für mich selbst beim großen Einhorn / Universum / Gott / Lebensbaum oder was auch immer!

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