Heute muss ich mich mal etwas auskotzen! In letzter Zeit habe ich selber erlebt, oder in meinem Umfeld mitbekommen, dass sich Menschen vermehrt stoffelig verhalten.
Ein Bekannter ist gerade auf Arbeitssuche und hat auf seine Bewerbungen nur von maximal 1% der Firmen Rückmeldungen bekommen.
Eine ältere Dame hat ihren schon erwachsenen Enkelinnen einen größeren Geldbetrag geschenkt und bekam was? Richtig: NIX. Kein Dankeschön, kein Handschlag, absolut keine Reaktion.
Ich bekam im Rahmen meiner Schreibtätigkeiten Anfragen für etwaige Kooperationen, habe nett und freundlich zurück geschrieben, wie genau das denn ausschauen würde und bekam keinerlei Resonanz.
Eine Freundin hat für ihre Cousine etwas selbst gemacht, was normalerweise mehrere hundert Euro gekostet hätte und zwar sehr professionell. Die Cousine hat es für selbstverständlich erachtet. Ist doch klar, dass man das in der Familie umsonst macht, dafür braucht es keinen Dank. Nichtmal ein kurzes “das hat mich echt gefreut”, was ja oftmals schon vollkommen ausreicht.
Ein Bekannter arbeitet in einer großen internationalen Firma, wo es darum ging, wer abends ausländische Gäste betreuen könne. Niemand meldete sich. Die “Betreuer” mussten daraufhin per Los ausgewählt werden. Ich habe auch einmal in einem international agierenden Unternehmen gearbeitet. Dort war es selbstverständlich, dass man die Kollegen und Kunden aus dem Ausland abends zum Essen einlud und ihnen die Stadt zeigte. Niemand musste dort abends alleine im Hotel sitzen. Es gehörte einfach zum guten Ton.
Genau diesen guten Ton vermisse ich. Ich bin jetzt nun wirklich nicht in einem Alter, wo ich in das “früher war alles besser” Horn blase, aber ich merke doch einen signifikanten Anstieg von unhöflichem Verhalten in den letzten 5-10 Jahren.
Ist es der digital vernetzten Welt geschuldet? Verhält man sich im realen Leben so, wie es oftmals im Netz vorgelebt wird? Werden Menschen auch im wirklichen Leben weggescrollt, wie die Nachrichten auf Facebook?
Vielleicht bin ich altmodisch, aber ich schätze Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und ein respektvolles Miteinander. Dazu gehört, dass ich Nachrichten beantworte, dass ich mich gut um Gäste kümmere (egal ob privat oder bei der Arbeit) und dass sich andere auf mich verlassen können. Dass ich mich nicht nur melde, wenn ich von anderen etwas brauche, sondern wenn sie mich brauchen. Es sollte auch selbstverständlich sein, dass man sich für Geschenke oder Leistungen bedankt. Das ist doch das Allermindeste. Einfach ein guter Umgang! Vielleicht sollte ich Online-Benimmkurse für die absolut elementarsten Regeln für ein zuvorkommendes Miteinander geben. Bedarf dafür hätten so Einige. Eine gute Kinderstube ist selten geworden.
Vielleicht bin ich pingelig, aber unhöfliche, stoffelige Menschen oder Firmen disqualifizieren sich meiner Meinung nach automatisch. Möchte ich wirklich für eine Firma arbeiten, die es nicht für nötig erachtet, auf Bewerbungsunterlagen zu antworten, so wie es meinem Bekannten gerade passiert? Nein, möchte ich nicht! Möchte ich wirklich von Menschen umgegeben sein, die keine Whatsapp Nachrichten beantworten, bzw. nur, wenn es ihnen in den Kram passt und von Nutzen ist? Nein, will ich nicht! Will ich wirklich Personen in meinem Umfeld haben, die nichts zu schätzen wissen, was man für sie tut, selbst wenn sie dadurch hunderte von Euro sparen? Für die das eine Selbstverständlichkeit ist? Besagte Freundin hat es richtig ausgedrückt: das ist mangelnde Wertschätzung. Das kann einmal passieren – meinetwegen aus Unwissenheit oder Unachtsamkeit, aber wenn es zum Dauerzustand wird, sollte man sich von solchen Menschen und Situationen distanzieren. Das erleichtert den Seelenfrieden ungemein!
Was die Firmen angeht: besagter Kumpel hat bei den wenigen Rückantworten tatsächlich einmal eine “Massen Email” als Absage erhalten. Alle Bewerber, denen abgesagt wurde, waren als Mailempfänger für alle sichtbar eingetragen worden und erhielten dieselbe Rückantwort: “Dass man sich leider für einen anderen Bewerber entschieden hätte”. Unterzeichnet war die Email von einem Auszubildenden (es stand wirklich “Auszubildender Abteilung XY” unter der Unterschrift). Was sagt das über ein Unternehmen aus? Nichts Gutes! Jeder auf dieser Liste mit einem Funken Verstand, war bestimmt heilfroh, von dieser Firma keine Zusage bekommen zu haben. Dilettantismus in Reinkultur. Von einem vertraulichen Umgang mit Personendaten einmal komplett abgesehen…und das war keine “kleine Klitsche”…
So schlimm es für meinen Bekannten auch gerade ist, dass er noch nichts Adequates gefunden hat – er kann heilfroh sein, dass er bei diesen Firmen nicht arbeiten muss.
Alles im Leben hat auch etwas Gutes. Durch solche und ähnliche Aktionen trennt sich immer die Spreu vom Weizen.
Vielleicht sollten wir es als “Seelenhygiene” betrachten, wenn wir Absagen bekommen. Egal ob in Form von wirklichen Schreiben von Firmen (oder eben gar keiner Rückantwort), sowie auch im Privaten. Menschen wie ich, neigen dann dazu, die “Schuld” bei sich selbst zu suchen. Wenn mir das passiert wäre, was der Freundin passiert ist, wo die Cousine sich nicht bedankt hat, dann wäre sofort mein Dummgedankenkreisel angesprungen. Ich hätte dann gedacht, dass meine Arbeit eben nicht gut genug gewesen wäre und somit keinen Dank verdient hätte. Bei den Absagen oder Nichtantworten meines Kumpels hätte ich es ebenfalls auf mich bezogen und gedacht “ich bin eben nicht gut genug und keine Rückantwort wert”. Das ist aber Schwachsinn und irgendwo weiss mein kleines Hirn das auch selbst. Es hat nichts mit meiner Freundin zu tun. Sie hat super Arbeit geleistet und mein Kumpel hat viele Talente und jede Firma könnte froh sein, ihn als Mitarbeiter zu haben.
Wieso ziehen wir Stoffeligkeit an? Tun wir das wirklich, oder schützt sie uns nicht eher davor, beim falschen Umgang und beim falschen Arbeitgeber zu landen?