Neulich traf ich eine Bekannte, die auch vegan lebt. Sie erzählte mir freudestrahlend, dass sie einen Sauerbraten aus Tofu gemacht hätte und der gut gelungen wäre und der ganzen Familie geschmeckt hätte.
Eine Frau neben uns hörte dies und fragte, warum wir Veganer Fleischgerichte imitieren würden.
Das hört man immer mal wieder von Omnis und sogar von anderen Veganern, die Fleischersatzprodukte ablehnen.
Ich versuche es mal an einem Beispiel zu erklären:
Hubert (willkürlich gewälter Name) aß früher gerne Fleisch. Sauerbraten war seine Leibspeise. Doch dann lernte er Doris kennen und sie verliebten sich. Doris lebt vegan. Durch sie erfuhr er, wie furchtbar die Tiere meistens gehalten werden, dass die Kühe immer wieder künstlich geschwängert werden, dass ihnen dann die Kälbchen weg genommen werden, damit die Milch von den Menschen konsumiert werden kann, die sie zu einem hohen Prozentsatz gar nicht vertragen. Er fand heraus, dass die männlichen Küken gleich nach der Geburt vergast oder lebendig geschreddert werden, weil sie – ebenso wie die männlichen Kälbchen – ein “Abfallprodukt” der Fleischindustrie sind.
Hubert entschied für sich, dass er daran nicht mehr beteiligt sein wollte, weil er das nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren konnte. Weil er den Sauerbraten jedoch so gerne gegessen hatte, tüftelten er und Doris so lange an eingelegtem Tofu oder Seitan herum, bis sie einen “Braten” entwickelt hatten, der annähernd so schmeckte, wie der “Echte”. Hubert konnte seinen Sauer”braten” guten Gewissens genießen, weil kein Tier dafür leiden und sterben musste. Der “Braten” auf Getreide, Lupinen oder Hülsenfruchtbasis ist tierethisch vertretbar.
Es ist ja nicht so, dass alle Veganer als Veganer geboren wurden. Viele waren zuerst – so wie ich – viele Jahre Vegetarier. Fast alle wuchsen jedoch in einem omnivoren Umfeld auf und entschieden erst später für sich, dass sie tierische Produkte meiden wollen. Nicht weil es ihnen früher nicht geschmeckt hätte, sondern weil sie es nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren können. Weil sie für sich erkannt haben, dass sie nicht das Recht haben, Tieren so ein Leid an zu tun.
Warum geht das nicht in die Köpfe, der “Kritiker”? Es wird ja keiner gezwungen Fleischersatzprodukte zu essen, doch wenn das Jemand tun möchte, dann widerspricht das keinesfalls dem veganem Gedanken, denn der Konsum “wie Fleisch ausschauender Produkte” verletzt kein Tier. Lasst Euch Euren Seitanbraten, Euer Lupinengyros, Euer Weizenschnitzel schmecken.
Wenn man die “Logik” Derjenigen weiterspinnen würde, die es ach so verwerflich finden, dass man als Veganer “wie Fleisch oder Wurst ausschauende Produkte” konsumiert, dann dürfte man auch keine Pflanzenmilch trinken, die wie Milch ausschaut und auch keinen veganen “Käse”. Der müsste dann vermutlich orange oder lila sein, nur damit er nicht wie “echt” ausschaut und die Sojamilch am besten schwarz. Selbst wenn die “Milch” und der “Käse”, gänzlich anders ausschauen würde, wie das “Original” und wenn man alle Fleischersatzprodukte in Dreiecks- oder gar Pentagrammformen pressen würde, gäbe es noch irgendjemand , dem das immer noch nicht in den Kram passen würde.
Deshalb esse ich einfach ungeniert, was ich mag, solange für mein Essen kein Tier vorsätzlich leiden muss und getötet wird.
Dann gibt es da noch die Front, die einem dann vorwirft “bei der Ernte sterben auch Tiere”. Ja das ist wahr. Für mich gibt es aber einen gravierenden Unterschied zwischen Unfällen und bewusster Tötung. Um auch das für mich so weit wie möglich zu verhindern, werde ich versuchen, mein Gemüse selbst an zu bauen. Das wird mir nicht bei allen Sorten gelingen, aber es ist ein Anfang. Alles Andere kann ich von lokalen Biobauern beziehen. Natürlich kann ich auch dort nicht ausschließen, dass bei der Ernte Tiere zu schaden kommen, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Zu versuchen, so wenig Tierleid zu verursachen wie möglich, ist immer noch besser als zu sagen “die werden doch sowieso getötet, also was soll`s”. Wenn jeder Einzelne etwas mehr dazu beiträgt, ist das in der Summe sehr viel. Jeder kann etwas bewirken.
Ein früher von mir sehr geschätzter Mensch hat mir letztes Jahr vorgeworfen, dass durch meine “täglich aufgeführte Vegan-Operette” kein einziges Tier weniger geschlachtet werden würde. Das mag sein, aber dennoch sehe ich, wie sich in den letzten 4,5 Jahren, seit ich vegan lebe, so viel getan hat. Immer mehr Menschen kommen zu der Erkenntnis, dass Tiere das gleiche Recht auf ein schönes, glückliches Leben bis zu ihrem “natürlichen” (nicht nur an Altersschwäche, sondern auch durch nicht heilbare Krankheiten oder einen Unfalltod, das ist ja bei Menschen leider auch so) Tod haben. Möge doch Jeder jeden Tag eine Vegan-Operette aufführen und sei es nur, dadurch, dass er hin und wieder tierische Milch durch Pflanzenmilch ersetzt. Jede scheinbar noch so kleine Veränderung zählt. So wie auch jede einzelne Plastiktüte, die nicht mehr in Umlauf kommt zählt, oder jedes Blatt Papier, das nicht ausgedruckt wird oder jeder Tropfen Wasser, der weniger zum duschen verwendet wird.