Ich würde Dir dies und das empfehlen

Wir waren im “Urlaub” oder besser gesagt, wir hatten uns einen viertägigen spontanen Roadtrip nach Italien gegönnt. Wir fuhren montagfrüh los und kamen am späteren Nachmittag am Gardasee an, blieben dort bis donnerstagfrüh und waren abends wieder Zuhause.

Als Leute mitbekamen, dass wir in der Gegend von Venetien sind, kamen die Ratschläge zu Hauf, “Ihr müsst unbedingt dies und das anschauen und dort hin” und auch auf der Heimfahrt sollten wir noch auf jeden Fall hier und da halten und dieses und jenes anschauen.

Alles gut gemeint und sicherlich wären alle Orte schön gewesen. Vielleicht hätte uns das Meiste gefallen, dennoch: Wir waren doch nur effektiv zweieinhalb Tage am Gardasee und wir wollten die Zeit einfach genießen und nicht von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit rennen. Wir erkundeten den Ort Bardolino, als wir montags ankamen, waren dort abends noch essen und am nächsten Tag liefen wir in die Nachbarstadt Lazise. Dort flanierten wir durch die Gassen, aßen und tranken etwas, fuhren mit der Fähre nach Garda, tranken dort wieder etwas und flanierten dort ebenfalls durch die Gassen und liefen zurück nach Bardolino, speisten dort zu Abend und schliefen früh ein, weil wir fast 20km gelaufen waren. Am Mittwoch fuhren wir nach Verona, schauten uns die Innenstadt an, fotografierten den Balkon von Romeo und Julia und fuhren danach weiter nach Borghetto. Auch dies war uns wärmstens nahegelegt worden. Zugegebenermaßen ein süsses kleines Örtchen, aber auch ein Umweg von mindestens 2 Stunden.

Als wir zurück kamen, chillten wir noch etwas am Pool, machten uns fertig für den Abend, speisten und tranken wieder in der Altstadt und liefen wieder zurück. Am Abreisetag frühstückten wir noch ausgiebig, fuhren dann los und machten unterwegs noch Halt in Füssen, wo wir zu Mittag aßen und fuhren anschließend nach Hause. Wir fuhren nicht wie empfohlen an den Blindsee, wir schauten uns auch keine Kapelle mehr an, wir wollten einfach nach Hause.

Es war ein schöner Kurztrip und wir sahen wirklich viel für die kurze Zeit, aber wir wollten simpel ein paar Stunden alle 5 gerade sein lassen, ohne irgendwas zu tun. Einfach an der Strandpromenade sitzen und Leute beobachten und dabei einen Spritz Sarti genießen.

Die meisten Empfehlungen entsprechen eh nicht unserem “Geschmack”. Wir interessieren uns echt nicht für die Geschichte der Olive und gehen deshalb auch in kein Olivenmuseum, selbst wenn es in der Straße des Hotels angesiedelt ist. Wir sind jetzt auch nicht unbedingt Anhänger von”Attraktionen”, wo man ewig anstehen muss und wo hunderte von Leute anstehen. Wir hatten schlicht keinen Bock, uns ewig an dem Romeo und Julia Balkon anzustellen und dafür auch noch € 12 / Person zu zahlen. Wir haben ihn seitlich fotografiert, von einem Platz aus, von dem es noch nichts kostete und basta. Wir setzten uns dafür lieber in ein Restaurant vor der Arena und erfreuten uns an dem warmen Wetter und labten uns an Spritz Aperol und Pommes, die wir gratis dazu bekamen.

Seen in Tirol oder Allgäu sind bestimmt toll, aber bei knapp 11 Grad auch etwas frisch, vielleicht schauen wir uns die mal zu einer anderen Jahreszeit an. Oft empfehlen einem andere was und es kann schon gut sein, meistens trifft es aber leider nicht unseren Geschmack. Das gilt für Urlaubsorte, Sehenswürdigkeiten, Serien, Filme, Speisen, Getränke, eigentlich für Alles. Katzen mögen Mäuse, ich nicht. Was mir gefällt, gefällt vielen anderen nicht und umgedreht.

Es ist wie bei den Flohmärkten, auf die meine beste Freundin und ich häufig gehen. Wir würden uns klamottentechnisch nie in die Quere kommen, weil wir einen total anderen Geschmack haben. So ist es auch mit all meinen anderen Freundinnen. Jede hat ihren eigenen Stil und ihre Vorlieben und das ist gut so. Es wäre furchtbar eintönig, wenn wir herumlaufen würden wie Klone.

Ich war kürzlich mit einer Freundin auf einem Mittelaltermarkt und fand es überwiegend nicht so prickelnd. Ja es gab viele Schmuckstände, aber auch überall dasselbe Zeug. Meist keltisch angehauchter Schmuck, oder “Wikinger” Style, aber auch ganz viel übles Zeug, wie Tierfelle, Hörner, Schnitzereien aus Geweihen oder was mit Federn. Dazu noch eingepferchte Hühner und angebundene Habichte. Muss ich nicht nochmal haben. Es hatte für mich auch etwas von Karneval. Viele kamen “gewandet”, einschließlich der Freundin und mir. Die Kleider sahen toll aus, aber mittelalterlich war glaub ganz anders. Das Kleid, das mir die Freundin geliehen hatte, sah für mich eher aus, wie ein Saloon Kleid aus einem Italo-Western mit einem Hauch von Halloween. Ich habe mindestens 2 “Holla’s die Waldfeen” gesehen. Ich hatte vor einigen Jahren ein ähnliches Kostüm auf dem Fasching an. Es freut mich für die Freundin, wenn sie Spaß an solchen Märkten hat. Mein Ding ist es nicht.

Auch bei Musik ist es so, dass einem oft Lieder empfohlen werden. Ich habe kein wirkliches Genre. Ich höre kreuz und quer alles was mir gefällt. Von Nirvana, bis Linkin Park über “Ballermannhits”. Ich höre echt gerne die Festzeltvariante von “Es tut mir Leid Pocchahontas” oder die Octavian Version von “Mädchen auf dem Pferd”. Ich mag auch “Cordula Grün” gerne und ich gröle schon mal lautstark bei “Wackelkontakt” mit. Ich höre jedoch auch oft Kate Bush und Seeed, bzw. Peter Fox. Ich mag das ausgelutschte alte Rockzeug aus den 80ern nicht und ich hasse Volksmusik, Schlager und Oper. Das bereitet mir körperliche Übelkeit. Gönne es aber allen, es zu hören, denen es gefällt, solange ich es nicht hören muss.

Ich hab bestimmt auch schon mal von Urlaubsorten geschwärmt. London und Budapest fand ich ganz toll. Ich würde aber niemand sagen “Da müsst Ihr unbedingt hin”, weil ich nicht weiss, ob es anderen genauso gefallen würde wie uns. Ich fand die Serien “Dark”, “Sense 8”, “OA”, “3 Body Problem”, “Bodies”, “Silo”, “Fallout”, “Paradise” und “Die Gabe” echt mega, weiss aber von einigen Bekannten, dass sie Dark langatmig, Sense 8 und OA verwirrend fanden und den Rest daher auch nie anschauen würden. Denen gefällt dafür der “Bergdoktor”, “Zombi Nation” oder irgendwas anderes, was uns wiederum nicht gefällt. Geschmäcker sind bekanntlich verschieden und das ist gut so.

Mit Empfehlungen ist es ähnlich wie mit ungefragten Ratschlägen. Sie mögen meist gut gemeint sein, aber wie wir wissen, ist gut gemeint immer das Gegenteil von gut. Wir müssen nicht unbedingt hier hin oder dort hin. Wir sollen nicht irgendwas anschauen, was uns nicht gefällt, nur weil es wer empfohlen hat. Wir können tun und lassen was UNS gefällt.

Witzigkeit kennt doch Grenzen

Freunde hatten vor Jahren ein Haus gekauft und mich zum Essen eingeladen. Sie kannten einige der abstrusen Geschichten, die mir im Laufe meines langen Lebens widerfahren waren und hatten sich echt große Mühe gegeben, die Themen humorvoll aufzugreifen. Unter anderem hatten sie einen “Margit Schrein” gebastelt, mit Bilder von mir, wie in einem Serienmörderfilm und diesen im Esszimmer aufgestellt.

Ich erkenne die Kreativität echt an und auch mit welcher Detailtreue sie die “lustigen” Anekdoten aufgegriffen hatten. Dennoch fand ich es nicht wirklich lustig. Klar, wenn man die Geschichten erzählt, sind sie im Nachhinein schon komisch, aber sie sind mir wirklich passiert, ich habe sie nicht erfunden.

Mir ist klar, dass die Freunde mich damit zum Lachen bringen wollten. Sie konnten nicht wissen, wie sehr mich das an die teilweise sehr verstörenden Szenen zurück katapultiert hat. Sie waren vermutlich auch enttäuscht, weil ich kaum darauf reagiert habe. Ich habe es sehr wohl registriert, doch es hat mich so an all die kruden Erdnuckel und Psychos erinnert, dass mir das Lachen im Halse stecken blieb.

Der Vorteil am Älterwerden ist, dass Psychopathen sich nicht mehr für mich interessieren. In jüngeren Jahren war ich so oft mit Besessenheit von meist männlichen Personen konfrontiert, dass es mir echt Angst gemacht hat. Egal ob bei der Einweihungsparty der neuen Wohnung ein Bild von mir auf der Schlafzimmerkommode eines ehemaligen Arbeitskollegen stand, oder ob ein Wildfremder ein Bild von mir aus Social Media ausgedruckt und laminiert in seinem Geldbeutel herumtrug und es mir stolz unter die Nase hielt, oder ob ein Typ mir eine Orchidee in einem schwarzen Tuch eingewickelt zuschicken ließ (ok, es war zugegebenermaßen nur der Kopf einer Blume und kein Pferdekopf, aber es weckte solche Assoziationen bei mir), oder ein Busfahrer immer anhielt, obwohl seine Linie gar nicht an dieser Bushaltestelle halten durfte, oder ein (anderer!!!) ehemaliger Kollege einen Kuchen backen lies mit meinem Namen drauf und ihn an alle in seiner Abteilung verteilte, oder der Fremde, der mir auf einem Fest mitteilte, dass er schon seit meiner Teenagerzeit mein Leben “verfolgen” würde. Es gab noch zig andere schräge Aktionen von obsessiven “Verehrern”, die ich erlebt hatte und ich bin froh, dass das aufgehört hat.

Ich habe noch immer einen gewissen “Fanclub”, aber der ist zum Glück sehr harmlos und ich ziehe offenbar nicht mehr die total Verrückten an.

Die Aktion der Freunde fällt wieder unter die Kategorie “gut gemeint ist immer Scheiße”, aber ich nehme es ihnen garantiert nicht krumm, es war einfach etwas verstörend.

Der Tod, das Leben und alles dazwischen

Meine Mutter starb Mitte Juli. Es ist nicht nur so, dass ich traurig bin und sie vermisse, sondern auch der Umstand, dass nun beide Elternteile nicht mehr leben und ich jetzt eine “Waise” bin. Egal wie alt man ist, man bleibt das “Kind” und wenn die Eltern sterben, ist man plötzlich niemandem’s Kind mehr.

Auch das schmerzliche Erkennen, dass man selbst jetzt die Generation ist, die “als nächstes dran” ist. Das ist natürlich nur subjektiv. In meiner Familie werden die Menschen hochbetagt und ich bin ja sowieso das Nesthäkchen unter uns Geschwistern. Statistisch gesehen bleiben mir schon noch Jahrzehnte, aber man weiss nie, vielleicht bleibt auch nicht mehr so viel Zeit.

Ich bin in einer Phase meines Lebens angelangt, wo ich oft denke “War’s das jetzt? Kommt da nicht noch was? Das kann doch nicht alles gewesen sein!”. Das sind undankbare Momente, die auch hormonell gesteuert sind, oder besser gesagt einem Mangel an Östrogen und Progesteron geschuldet sind, was in meinem methusalemischen Alter natürlich schwindet.

Objektiv betrachtet geht es mir gut. Ich bin glücklich verheiratet, wir haben schöne Katzenkinder, ein schönes Haus, eine Handvoll feiner Freunde, beruflich ist auch alles im grünen Bereich, ich lebe mit niemand im Unfrieden und bin mit allen “rein”. Das können nicht so viele von sich sagen. Wie viele Menschen sind zerstritten und verbittert und unerbittlich gefangen in ihrer Zwietracht. Das möchte ich nicht haben und nicht mit mir herumtragen. Irgendein schlauer Mensch hat mal gesagt: “Verbittert sein, ist wie Gift trinken und denken, der andere stirbt daran”. So unnötig.

Dennoch habe ich Phasen der Melancholie, wo ich Menschenansammlungen nicht ertrage, wo ich mich gerade unter Menschen fehl am Platz fühle, wo ich einen Zerrspiegel habe, der mir einredet, ich wäre fett, alt und hässlich. Wo ich denke, ich sehe ein Monster wenn ich in den Spiegel schaue. Auch wenn ich weiss, dass das alles dem Auf- und Ab der Hormone geschuldet ist und ich jetzt quasi überwiegend PMS Level habe in der Perimenopause, ändert es nichts an dem Gefühl. Man kann es rational und logisch erklären, aber es fühlt sich trotzdem beschissen an. Altern ist echt nichts für Weicheier.

Was auch noch tief in mir verankert ist, ist eine gewisse Grundunsicherheit und dass ich immer etwas Schlimmes erwarte. Das Damocles-Schwert des Todes schwebte schon so lange über uns, dass das in Fleisch und Blut übergegangen ist. Vor drei Wochen dachte ich, mein Orpheus stirbt mir auch noch. Er hatte wieder einen akuten Schub IBM (sowas wie Morbus Crohn beim Menschen) und lag nur noch malad rum. Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie glücklich ich war, als ich wieder den ersten wohlgeformten Haufen von ihm sah. Als es ihm so schlecht ging, hatte ich Herzrasen, Panikattacken und schlief tagelang nicht richtig, weil ich so in meiner Angst gefangen war, dass er stirbt.

Wie bei meiner Mutter wird auch bei ihm der Tag kommen, wie bei uns allen. Er ist 16 Jahre alt und aufgrund seiner chronischen Erkrankung sehr dünn. Er hat wenig Reserven. Er hat sich jetzt dem Einhorn sei Dank echt wieder gut stabilisiert und ich habe mich wieder etwas beruhigt. Trotzdem ist es, als ob eine Grundangst tief in meinen Zellen verwurzelt wäre und wenn eine der Katzen auch nur ein winziges Anzeichen hat, dass etwas nicht stimmen könnte, bestehe ich nur noch aus Panik.

Deswegen habe ich keinen Bock auf oberflächliches Geplänkel, Rumgenöle, Jammerei wegen Alltäglichem. Das Leben ist zu kurz dafür. Ich brauche wieder etwas mehr Frieden, Leichtigkeit, Unbekümmertheit und Sorglosigkeit. Es war jetzt lange schwer genug.