Keine Zeit für Trauer

Schon das 3. Mal habe ich einen geliebten Menschen beim Sterben begleitet und zwei meiner Katzen. Es ist immer ähnlich. Man sieht, wie sich die Lebensenergie zurück zieht. Man spürt den baldigen Tod. Man weiss es, auch wenn man es zunächst nicht wahrhaben will. Dazwischen gibt es immer zweimal ein Aufbäumen von Lebensenergie, auch das gehört dazu und wird mit dem spannen der Silberschnur bezeichnet. Sie spannt sich zweimal, bevor sie reißt.

Der Sterbeprozess zog sich diesmal über mehrere Wochen und wir lebten in einer Art “Parallelwelt”. Wir saßen an ihrem Sterbebett, streichelten sie, wischten ihre Stirn ab, redeten mit ihr, sangen ihr vor, laßen ihr vor, spielten ihr Lieder vor, die sie mochte und erzählten uns auch manchmal witzige Anekdoten mit ihr.

In der letzten Phase waren wir bei ihr, hörten das sogenannte “Todesrasseln” und sahen das “Todesdreieck” und wussten, dass es nun der endgültige Abschied war. Es war eindeutig, dass sie sich nicht mehr erholen wird, wie die Jahre zuvor mehrfach. Wir spürten, dass sie nicht gehen konnte, solange wir da waren und in den letzten 3 Stunden ließen wir sie deshalb bewusst alleine.

Zum trauern bleibt aber erstmal keine Zeit nach einem Todesfall, denn alles muss organisiert werden und so standen wir schon keine 5 Stunden später in einem Sarglager und organisierten die Trauerfeier. Auch die Zeit danach ist geprägt von organisatorischen Dingen. Zur “Ruhe” komme ich erst jetzt, beinahe 3 Wochen nach ihrem Tod.  Die Gefühle sind unterschiedlich. Manchmal breche ich einfach so in Tränen aus, weil mir wieder bewusst wird, dass sie für immer weg sein wird. Ich kann sie nicht mehr anrufen, nicht mehr besuchen, ihr keine Himbeeren, Brombeeren und Rosen mehr mitbringen, die sie gerade in der letzten Zeit so geliebt hatte. Diese Phasen wechseln sich ab mit einer “Leere”, wo ich gar nichts spüre und einfach ausgelaugt bin. Ich schlafe nachts schlecht, dafür tagsüber öfter als mir lieb ist.

Der Tod gehört leider zum Leben und niemand von uns bleibt für immer hier. Wir alle werden nach und nach gehen müssen. Es ist schwer, aber wir müssen geliebte Menschen und Tiere los lassen, wenn ihre Körper zu schwach geworden sind und sie nur noch Schmerzen haben. Dann wird es Zeit, sie nicht zurückzuhalten, nur weil wir sie gerne noch um uns hätten. Das wäre egoistisch. Man muss sie um ihretwillen gehen lassen, damit sie frei sind von Leid und Schmerz.

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Jetzt, nachdem alles organisiert ist und die Bestattung vorüber, darf ich mir endlich die Zeit zum trauern nehmen. Ich muss nicht mehr irgendwie funktionieren. Ich darf Treffen absagen, ich darf mich aus Menschenansammlungen zurück ziehen, ich darf Grenzen setzen, ich darf unsensible Personen meiden, ich darf weinen, ich darf sie vermissen, ich darf traurig sein. Auch das ist völlig normal.

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