Du musst Dir da keine Sorgen machen

Nach der Schwere der vergangenen Monate heute mal wieder etwas sehr Triviales und Infantiles.

Mein Mann spielt in einer Band. Ich bin selten bei Gigs dabei, weil es a) so gar nicht meine Musik ist, b) ich nicht bis zum Schluss irgendwo mitten in der Nacht rumlungern will bis sie abgebaut und eingeladen haben und c) ich dort meistens kaum jemand kenne.

Wir trafen uns kürzlich mit einem seiner Bandkollegen und dieser sagte zu mir “Margit, Du brauchst Dir wegen Groupies keine Sorgen machen, Dein Mann hat daran kein Interesse”. Ich weiss, er meinte es nur gut, aber darüber mache ich mir keine Sorgen. Wenn ich mir wegen dahergelaufenen “Groupies” Gedanken machen müsste, hätten wir ein grundlegendes Problem und es wäre keine Ehe, die ich wollte.

Je länger ich über die Aussage nachdachte, desto wütender wurde ich darüber. Es war gut gemeint, klar, aber wir wissen, dass gutgemeint immer scheiße ist. Es ist doch so, dass mein Mann sich auch bei mir keine “Sorgen” machen muss, dass ich sowas tun würde. Ich spiele zwar in keiner Band, habe aber durchaus noch immer meinen Fanclub.

Keine meiner Freundinnen würde je zu meinem Mann sagen “Du brauchst Dir keine Sorgen machen wegen den Typen, von denen sie unterwegs angebaggert wird, Deine Frau hat daran kein Interesse”. Vielleicht hat er es auch nur gesagt, weil seine Frau eifersüchtig ist, keine Ahnung. Vor einigen Tagen war ich ausnahmsweise mal wieder dabei – als Fotografin. Ich schaute mir das Publikum so an, speziell die potentiellen “Groupies” und musste kichern. Nein, ich muss mir wirklich überhaupt keine Gedanken machen.

Keine Zeit für Trauer

Schon das 3. Mal habe ich einen geliebten Menschen beim Sterben begleitet und zwei meiner Katzen. Es ist immer ähnlich. Man sieht, wie sich die Lebensenergie zurück zieht. Man spürt den baldigen Tod. Man weiss es, auch wenn man es zunächst nicht wahrhaben will. Dazwischen gibt es immer zweimal ein Aufbäumen von Lebensenergie, auch das gehört dazu und wird mit dem spannen der Silberschnur bezeichnet. Sie spannt sich zweimal, bevor sie reißt.

Der Sterbeprozess zog sich diesmal über mehrere Wochen und wir lebten in einer Art “Parallelwelt”. Wir saßen an ihrem Sterbebett, streichelten sie, wischten ihre Stirn ab, redeten mit ihr, sangen ihr vor, laßen ihr vor, spielten ihr Lieder vor, die sie mochte und erzählten uns auch manchmal witzige Anekdoten mit ihr.

In der letzten Phase waren wir bei ihr, hörten das sogenannte “Todesrasseln” und sahen das “Todesdreieck” und wussten, dass es nun der endgültige Abschied war. Es war eindeutig, dass sie sich nicht mehr erholen wird, wie die Jahre zuvor mehrfach. Wir spürten, dass sie nicht gehen konnte, solange wir da waren und in den letzten 3 Stunden ließen wir sie deshalb bewusst alleine.

Zum trauern bleibt aber erstmal keine Zeit nach einem Todesfall, denn alles muss organisiert werden und so standen wir schon keine 5 Stunden später in einem Sarglager und organisierten die Trauerfeier. Auch die Zeit danach ist geprägt von organisatorischen Dingen. Zur “Ruhe” komme ich erst jetzt, beinahe 3 Wochen nach ihrem Tod.  Die Gefühle sind unterschiedlich. Manchmal breche ich einfach so in Tränen aus, weil mir wieder bewusst wird, dass sie für immer weg sein wird. Ich kann sie nicht mehr anrufen, nicht mehr besuchen, ihr keine Himbeeren, Brombeeren und Rosen mehr mitbringen, die sie gerade in der letzten Zeit so geliebt hatte. Diese Phasen wechseln sich ab mit einer “Leere”, wo ich gar nichts spüre und einfach ausgelaugt bin. Ich schlafe nachts schlecht, dafür tagsüber öfter als mir lieb ist.

Der Tod gehört leider zum Leben und niemand von uns bleibt für immer hier. Wir alle werden nach und nach gehen müssen. Es ist schwer, aber wir müssen geliebte Menschen und Tiere los lassen, wenn ihre Körper zu schwach geworden sind und sie nur noch Schmerzen haben. Dann wird es Zeit, sie nicht zurückzuhalten, nur weil wir sie gerne noch um uns hätten. Das wäre egoistisch. Man muss sie um ihretwillen gehen lassen, damit sie frei sind von Leid und Schmerz.

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Jetzt, nachdem alles organisiert ist und die Bestattung vorüber, darf ich mir endlich die Zeit zum trauern nehmen. Ich muss nicht mehr irgendwie funktionieren. Ich darf Treffen absagen, ich darf mich aus Menschenansammlungen zurück ziehen, ich darf Grenzen setzen, ich darf unsensible Personen meiden, ich darf weinen, ich darf sie vermissen, ich darf traurig sein. Auch das ist völlig normal.

Zeichen

Meine Mutter starb vor 2,5 Wochen und als wir zu ihr fuhren, machte ich dieses Bild aus dem fahrenden Auto heraus:

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Für mich hatte dieser Sonnenaufgang etwas Tröstliches, so als ob sie ihn mir geschickt hätte.

Einige Tage später zog ein Gewitter auf und ich fotografierte Wolken. Ich liebe Wolkenformationen und fotografiere sie öfter. Erst später, als ich die Bilder durchsah, fiel mir auf, dass eine Wolke die Form einer Taube hatte:

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Nur wenige aus meinem Freundeskreis sahen die Taube. Für mich ist sie jedoch eindeutig zu erkennen. Die Taube steht für Frieden und auch den Übergang in die geistige Welt, weshalb das sehr stimmig ist.

Am Tag ihrer Urnenbeisetzung bat ich um ein Zeichen und als ich nach Hause fuhr (als Beifahrerin) machte ich diese Aufnahme aus dem fahrenden Auto heraus:

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Hier war es eindeutiger als bei der Taube und die meisten sahen den “Engel” sofort.

Viele denken sich vermutlich “die Margit spinnt sich da was zusammen”. Mag ja sein, aber es ist auch irrelevant. Hauptsache mir tut es gut, darin Zeichen zu sehen. Es gab auch noch ein Erlebnis mit einer schneeweißen Motte, die auf meinem Badezimmerspiegel sass und sich von mir berühren ließ und als ich abends unterwegs war, sass auf einem Eingangstor ein kleiner Vogel, der mich anschaute. Meine älteste Katzentochter schläft exakt seit meine Mutter verstarb jede Nacht auf meiner Schulter. Das hat sie vorher noch niemals gemacht und sie lebt seit 2011 bei uns.

An einem Abend, an dem ich sehr traurig war (Montage sind noch emotional schwierig), flackerte in der Küche das Licht. Ich sagte zu Muffin “Bitte sag Oma, dass mir das mit dem Licht Angst macht” und sofort hörte es auf. Hat davor nie geflackert und danach auch nie wieder. Es tat mir danach auch leid, dass ich mich fürchtete.

Das kann natürlich alles Zufall gewesen sein, für mich jedoch sind es Zeichen, dass es meiner Mutter gut geht und sie gut angekommen ist und das ist alles was zählt.