Ich fürchte, ich bin komplett unerleuchtet

Am Donnerstag machte ich mit einer Freundin eine Sternenwanderung. Ungefähr 20 Leute wanderten dabei durch die sternenklare Nacht und lauschten den interessanten Geschichten der Naturparkführerin.

Als wir nach zwei Stunden aus dem Wald heraus liefen, sagte eine der Teilnehmerinnen “Nach einer gewissen Zeit im Wald fühlt man sich wieder richtig geerdet”.

Ich fühlte mich kein Stückchen anders als vorher. Vielleicht ein wenig müde, aber keineswegs geerdet.

Ich habe das in letzter Zeit schon öfter beobachtet. Egal ob Sternenwanderung, oder bei anderen Begebenheiten. Ich hörte andere Teilnehmer um mich herum sagen, wie ergriffen sie sind, wie total schön es für sie ist, wie viel es ihnen gibt und wie sie spirituell wachsen. Ich wachse nicht spirituell, ich finde solche Wanderungen und andere Events zwar auch schön, aber zur aufgestiegenen Meisterin werde ich dadurch sicher nicht. Ich bin auch nicht ergriffen. Meistens ist es ganz nett, aber nichts davon berührt mich wirklich tief in meinem Inneren, wie es anscheinend bei anderen der Fall ist. Ich scheine komplett un -spirituell zu sein. Ich mache zwar auch so etwas Ähnliches wie Yoga (eine tibetanische Unterart davon), aber es sind reine Gymnastikübungen für mich. Sie haben mich noch niemals in höhere Spähren versetzt, ich bin nicht himmelhochjauchzend und voller Energie, wenn ich sie gemacht habe, sondern meistens nur fertig.

Sogenannte Heilsteine trage ich je nach dem, ob sie farblich zum Outfit passen. Sie sind ohne Bedeutung für mich. Ich fühle sie gerne, weil sie schön glatt sind, aber sie haben mich bis jetzt noch nicht in ihren Bann gezogen. An ihre Heilwirkung glaube ich auch nur im Sinne von “Wenn es nicht hilft, schadet es wenigstens nicht, einen Stein zu tragen”.

Wenn ich einen Regenbogen sehe, oder einen Sonnenuntergang, dann finde ich das zwar echt toll, aber ich könnte nicht vor Glück weinen, nur weil ich es sehe. Ich kenne Menschen, bei denen ist das so. Sie sind von allem um sich herum so ergriffen, dass sie vor Glück weinen. Ich habe noch nie vor Glück geweint. Nur bei Trauer und wenn ich Zwiebeln schneide.

Trommeln oder Mantras singen. Lachseminare oder Klangschalen – das mag ja gut sein, aber für mich wäre es nichts, dessen bin ich mir sicher. Es würde ähnlich befremdlich auf mich wirken, wie Musicals und Theateraufführungen.

Ich fürchte ich bin eine spirituelle Versagerin, ganz weit entfernt von jeglicher Erleuchtung.

Dennoch, es gibt Momente, die mich tief berühren: Der Anblick meiner Katzen, wenn ich morgens aufwache und sie um meinen Kopf herum sitzen und mit mir schmusen wollen. ein rotes Eichhörnchen, das im Garten meines Bruders von Ast zu Ast springt. Der Rotmilan, der immer über meinem Heimatort seine Runden fliegt, mein Patenkind Giovanni, wie er sein Köpfchen immer an meinem Oberschenkel reibt, weil er sich freut mich zu sehen, meine Mutter, wenn sie sagt, dass sie sich immer so freut, wenn ich sie besuche, eine Erinnerung an einen witzigen Spruch meines Vaters, wenn unser Kater aus dem spanischen Tierschutz (der früher sehr viel schlimmes erlebt hat) nach zweieinhalb Jahren so ein Vertrauen in uns hat, dass er sich an uns schmiegt, seine Pfoten nach oben in die Luft streckt und uns sein etwas dickes Bäuchlein kraulen lässt. Die Nachbarskatze, die mir morgens freudig entgegen springt, der kleine Hund meines Neffen, der mir die Hände abschleckt, das Vertrauen der schwerverletzten Ente, die sich von mir tragen lies, als hätte sie gewusst, dass ich ihr nur helfen will, die Kuh, die ich unterwegs getroffen habe und die sich von mir streicheln lies, obwohl sie sonst ziemlich scheu ist, das kleine gelb-schwarze Vögelchen, das ohne Angst hinter mir im Baum saß,

Vielleicht bin ich doch kein so hoffnungsloser Fall.  Ich bin nur einfach von anderen Ereignissen ergriffen, das ist alles.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert