Der Tod meiner besten Freundin

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Vor 4 Monaten starb meine beste Freundin. Sie hatte Krebs. Zuerst sah alles ganz gut aus, doch dann vertrug sie die Therapien immer weniger und seit Dezember hatte sie kaum mehr Lebensqualität.

Als man dann sah, dass es zu Ende ging, war ich lange mit ihr alleine. Sie war anscheinend nicht mehr bei Bewusstsein, aber ich glaube schon, dass sie wusste, das ich da war.

Sie lag in dem Krankenhausbett und atmete schwer. Ihre Organe versagten langsam, das spürte man.

Ich saß daneben und hielt ihre Hand so, dass meine darunter lag und ihre darüber. Ich wollte nicht, dass sie das Gefühl gehabt hätte, dass ich sie hier fest halten würde.

Ich streichelte immer wieder ihre Hand und ihr Gesicht.

Als sie noch schwerer atmete, wollte ich kurz aufstehen und die Schwester fragen, ob sie ein Schmerzmittel bräuchte, doch sie hielt meine Hand fest. Sie wollte nicht, dass ich weg gehe. Ich klingelte dann nach der Schwester und eine der ganz netten, die ich in den 2 Monaten auf der Palliativ-Station kennen lernen durfte, kam zu mir. Sie setzte sich auf die andere Seite und streichelte die andere Hand meiner Freundin. So saßen wir da und hörten eine Weile dem schweren Atem zu. Auf einmal sagte die Schwester “bitte erzählen Sie mir, wie Sie sich kennen gelernt haben und wie Ihre Freundin war, bevor sie krank wurde”.

Ich erzählte ihr unter Tränen einige lustige Geschichten, die wir erlebt hatten und plötzlich mussten wir beide lachen und auch der Atem meiner Freundin wurde leichter. Bis ihre Eltern eintrafen war sie ganz ruhig.

Nicht ganz eine Stunde später hörte sie für immer auf zu atmen. Ein paar Sekunden zuvor war noch eine frühere Bekannte zu uns ins Zimmer gekommen. Die Bekannte erlebte quasi noch die letzten Atemsekunden mit.

Wir ließen die Eltern mit dem Leichnam alleine. Ich wusste, dass es nicht mehr sie war, sondern nur noch die leere Hülle. Es war körperlich spürbar, dass sie nicht mehr da war.

Im “Ruheraum” fing die Bekannte an zu wehklagen “Warum sie? Warum musste sie so jung sterben? Das ist so ungerecht! Sie muss gehen und die, die es verdient hätten werden steinalt”. Sie wurde immer hysterischer und ich hätte sie am liebsten geschüttelt, doch ich sagte nur leise, aber sehr bestimmt “so funktioniert das nicht. Der Tod ist keine Strafe für etwas. Das Ganze funktioniert anders. Bitte sei jetzt still”. Ich empfand ihr Jammern und Wehklagen als Entheiligung eines heiligen Moments. Wie eine Geburt ist auch der Tod etwas Besonderes. Das zerstört man nicht mit sinnlosem Geplapper und Gejammer.

Was wissen wir schon. Vielleicht ging sie so früh aus dieser Welt, weil sie hier alles erlebt hatte, was für sie wichtig war. Vielleicht hat sie dort, wo sie jetzt ist noch etwas vor, was das hier bei Weitem übertrifft und was wir mit unserem begrenzten Verstand noch nicht begreifen können. Vielleicht hatte sie es vor ihrer Geburt so festgelegt, dass sie in dieser Reinkarnation jung sterben wird. Wir wissen fast nichts und reimen uns irgend etwas zusammen, doch irgendwann werden wir erkennen, dass es total anders ist.

Ich habe letztes Jahr meinen Papa sterben sehen und dieses Jahr meine beste Freundin. Auch wenn der Tod in unserer Gesellschaft ein Tabu Thema ist, ist er nicht so schrecklich wie sein Ruf. Natürlich ist es nicht schön, geliebte Menschen zu verlieren. Doch ich bin mir sicher, dass wir sie wieder sehen werden. Es ist nur für eine bestimmte Zeitspanne, dass wir getrennt sind. Der Tod an sich ist nichts Schlimmes, nur der Verlust wird als schlimm empfunden. Der Tod ist nur ein Übergang und ich fürchte ihn nicht mehr.

Ich rief an dem Morgen als ich zu meiner Freundin fuhr und wusste, dass sie bald sterben wird, noch eine andere Freundin von ihr an. Doch diese andere Freundin wollte nicht ins Krankenhaus kommen. Sie hatte unsägliche Angst davor, der Freundin beim Sterben zusehen zu müssen. Sie konnte das nicht. Vielleicht hätte ich es vor 2 Jahren auch noch nicht gekonnt. Ich verstehe die Angst / Furcht davor, geliebten Menschen beim Sterben zusehen zu müssen, aber es ist nicht so schlimm, wirklich nicht. Es hatte beinahe etwas friedvolles. Es war ein heiliger Moment und ich bin froh, dass ich ihn erleben durfte. Fürchtet Euch nicht vor dem Tod. Steht geliebten Menschen in ihren letzten Stunden bei! Es wird Euch so viel mehr geben, als davor zu flüchten und zu warten, bis “es” vorbei ist. Es lässt einen, einen winzigen Blick auf die Ewigkeit werfen.

Die letzten klar verständlichen Worte meiner Freundin waren “ich will heim” und jedem von uns war klar, dass sie mit “heim” nicht ihre Wohnung meinte, sondern unser aller wahres Zuhause, wohin wir alle irgendwann zurück kehren werden.

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