Kürzlich hatte ich ein Gespräch mit einer meiner Freundinnen. Es ging um das Thema Vergebung und darum, ob es Taten gibt, die nicht vergeben werden können.
Meine Freundin ist der Meinung, dass es Taten gibt, die niemals vergeben werden können. Wie etwa Kindesmissbrauch.
Das ist tatsächlich eine Tat, die furchtbar ist. Doch hilft es der Person, die missbraucht wurde wirklich, wenn sie dem Täter oder den Tätern nicht vergibt? Vergebung heißt nicht, dass man etwas gutheißt. Vergebung bedeutet, dass man selber davon Abstand nimmt und es nicht mehr mit sich herum trägt. Jemandem etwas Nachtragen heißt immer, dass man es selber als Last mit sich herumschleppt.
Es gibt auch Leute, die tragen ihren Expartnern noch Jahrzehnte lang etwas nach, was diese während der Beziehung getan haben und können es nicht verzeihen. Das ist den Expartnern vermutlich gänzlich egal, weil sie ja oft gar nicht wissen, dass ihnen deswegen noch immer gegrollt wird, weil es keinen Kontakt mehr gibt. Wer also trägt den Hass, den Groll, die Nichtvergebung mit sich herum? Der Mensch, der nicht vergeben kann. Nochmal: vergeben heißt nicht etwas zu vergessen und gutheißen was getan wurde. Vergeben heißt sich selbst zu heilen und den Schrott nicht mehr länger mit sich herumtragen müssen. Frei zu sein von dieser Altlast.
Das gilt im Großen wie im Kleinen. Wenn man mehrfach von einem Expartner betrogen wurde, dann ist das natürlich nicht schön. Doch es viele Jahre lang mit sich herumtragen macht es nicht besser oder gar ungeschehen. Es gibt dem ganzen sogar noch mehr Macht über einen selber. Wenn man aber sagt “das ist Jahre / Jahrzehnte her und vorbei. Ich kann es nicht ungeschehen machen, aber ich werde nicht mehr zulassen, dass es mir HEUTE noch immer Schmerzen bereitet” dann ist es der erste Schritt zur Heilung. Wenn man den Hass, den Groll und all diese Gefühle jedoch täglich füttert, dann wird die Wunde immer größer. Dann vertraut man niemand mehr. Kann schlecht auf Leute zugehen, schwer Freundschaften knüpfen, ist unglücklich und einsam, oder gefangen in sich selbst. Findet keine neue Liebe mehr. Wer hat dann gewonnen? Niemand. Nicht die Täter und schon gar nicht diejenigen, denen Leid zugefügt wurde.
Was ist also besser? Das einem das Geschehene immer und wieder an die Nieren geht, über die Leber läuft und einem die Galle davon hochkommt, oder dass man frei davon ist und es keine Macht mehr über einen hat.
Man kann einfach einen Brief schreiben und ihn dann später verbrennen. Das ist ein sehr wohltuendes Ritual. Einfach den ganzen Seelenmüll in den Brief packen und verbrennen, damit er sich in Luft auflöst. Nicht um denjenigen, denen man grollt Absolution zu erteilen, sondern um sich selbst davon zu befreien.