seltsame Begegnungen unterwegs

morgens treffe ich oft eine betagte Frau an der Bushaltestelle, die ich bis gestern echt gern mochte.

Wenn wir uns länger nicht gesehen hatten, dann fragte sie immer gleich, ob ich krank war und ob es mir gut gehen würde und wir redeten belanglosen Smalltalk an der Bushaltestelle.

Doch gestern hat sie es bei mir verdorben. Ich mag sie nicht mehr.

Wir standen wieder an der Bushaltestelle. Der Bus hatte geringfügig Verspätung und die ungefähr 75jährige Frau fing an zu jammern “Der Baum da, der steht viel zu nah am Haus”. Sie erhob den Zeigefinger und wiederholte “Viel zu nah!!! Ich bin zwar keine Hausbesitzerin, aber das weiss, ich, dass der Baum mindestens 5m vom Haus weg sein muss und das sind höchstens 4m”. Ich mag diese Eiche und sie steht da schon ewig. Vermutlich schon vor den Häusern. Also wurde das Haus vermutlich zu nah an den Baum gebaut und nicht umgedreht. Sie setzte ihre Jammertour fort “Da wo ich wohne, da steht eine Linde auch so nah am Haus und wenn die blüht, dann kommen die Bienen und dann summt das den gaaaaanzen Taaaag, Schrecklich sag ich Ihnen”. Ich schüttelte nur den Kopf. Soll sie doch froh sein, dass es noch Bienen gibt, die da summen.

Abends auf dem Nachhauseweg saßen ein paar Jugendliche an der Bushaltestelle und ich hörte wie der eine Junge zu den anderen sagte “Hey, meine Alten sitzen den ganzen Tag vorm Fernseher. Ich kann überhaupt nicht mehr Playstation spielen. Wenn ich im Herbst mein eigenes Geld verdiene, dann kaufe ich mir als erstes einen eigenen Fernseher”.

Ich lief noch an einem Spielplatz vorbei, wo ein schätzungsweise 7 jähriger Junge versuchte, mit einem selber gemachten Pfeil und Bogen auf einen Vogel zu schießen. Ich schaute es mir an, ob Gefahr für den Vogel bestand, aber wie schon erwartet traf der Kleine nicht einmal annähernd den Baum.

Ich dache darüber nach – ok, der 7 Jährige sitzt offensichtlich nicht Zuhause vor dem Fernseher, sondern hat sich tatsächlich selber einen Pfeil und Bogen gebastelt. Das habe ich als Kind auch aus Weidenholz gemacht. Allerdings habe ich nie auf Tiere geschossen, dafür hatten der Nachbarsjunge und ich öfter mal die Pfeile gegenseitig in unseren Waden stecken…

Ich habe kurz überlegt, ob ich was sagen soll, dass er den Vogel in Ruhe lassen soll. Doch offen gesagt wusste ich nicht was ich sagen hätte können, um dem Kind klar zu machen, dass es nicht ok ist, auf Tiere zu schießen. Ich habe keinerlei Erfahrung im Umgang mit Kindern. Ich habe in Sekundenbruchteilen hin und her überlegt, was ich sagen könnte. Mit Motzerei hätte ich ziemlich sicher das Gegenteil bewirkt. Doch wie vernünftig erklären? Ich wollte auch nicht als oberlehrerhafte Tante Brüselise daher kommen. Das kann ich selber überhaupt nicht leiden und nervt mich noch heute oft, bei Leuten, die von sich selber denken, dass sie die weisesten  und spirituellsten Mitbürger ever sind.

Ich weiss wirklich nicht, wie ich es dem Jungen gut und nachhaltig hätte beibringen können und bin feige einfach weiter gegangen. Ok, ich wusste, dass er dem Vogel nichts tun kann. Noch nicht. Vielleicht übt er noch und wird besser im schießen… was hättet Ihr getan? Weiss jemand einen guten Tipp, wie man in so einer Situation gut reagiert, ohne anklagend oder besserwisserisch zu wirken?

Ich hatte schon mal eine ähnliche Situation, wo ich richtig falsch reagiert habe. Ich hatte zu der Zeit einen Pflegekater. Der Kater ging gern spazieren. Wir spazierten wirklich wie mit einem Hund an der Leine durch`s Viertel.

Auf einem unserer Ausflüge trafen wir ebenfalls einen kleinen Jungen (damals 4 Jahre alt) mit einem Pfeil und Bogen, der auf meinen Pflegekater zielte und schoss. Er traf ebenfalls nicht, aber ich war damals so wütend auf den kleinen Jungen.

Ich schrie ihn an “Wenn Du jemals wieder in Deinem Leben auf ein Tier schießt, dann komme ich vorbei und stopfe Dir den Pfeil bis zum Anschlag in Deinen Hintern”. Das war zugegebener Maßen nicht klug von mir. Der Junge rannte sofort heim und erzählte es der Mutter, die eine halbe Stunde später an meiner Haustür klingelte und mich zur Schnecke machte.

Daraus hatte ich gelernt, dass eine Schimpftirade nichts Gutes bewirkt. Deshalb stand ich gestern nur unschlüssig da und wusste nicht, was ich tun sollte.

In Sachen Zivilcourage muss ich noch kräftig dazu lernen, aber ich arbeite daran.

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