Meine beste Freundin und ich interessierten uns für Heilpflanzen, weshalb wir uns bei einer heilkundigen Frau zu einem Kurs anmeldeten. Sie und ihr Mann leben abgeschieden nahe eines Waldes. Wir fuhren also dort hin und wurden auch freundlich begrüsst. Das Ehepaar unternahm mit uns eine Wanderung in den Wald, erklärte uns Flora und Fauna und wir stellten selbst eine Tinktur aus Wasserdost und hochprozentigem Alkohol her.
Die Frau hatte ein großes Wissen an heimischen Pflanzen und der Mann war auch recht nett. Wir freundeten uns etwas mit den beiden an und waren mehrere Male dort. Eines Tages wurden wir zu ihrem Geburtstag eingeladen. Sie sendete uns die Koordinaten und eines nebligen Winterabends fuhren wir mit dem Auto meiner Freundin dort hin. Es war fast wie bei einem Gruselfilm, denn das Navi führte uns mitten in ein Wäldchen und letztendlich sagte die Navischlampe “Sie haben Ihr Ziel erreicht” und wir standen vor einer Blockhütte. Martina, die Pflanzenkundige (die Namen sind selbstverständlich geändert) begrüsste uns freudig und ihr Mann Peter hatte schon eine Suppe auf dem Herd. Die Hütte war voll mit Spinnweben und Dreck, was wir jedoch glücklicherweise im Kerzenschein nur vage erkennen konnten.
Wir fragten, ob wir die ersten Gäste wären und Martina antwortete, dass wir nicht nur die ersten, sondern auch einzigen Gäste wären. Das war dann doch etwas seltsam und uns wurde etwas mulmig. Peter servierte die Suppe in Kaffeetassen und Martina fing schon an, Kartoffeln zu rösten. Nach einem wirklich guten und üppigen Essen, fing Martina an zu trinken. Nicht nur ein bissle, sondern massiv. Sie trank zwei Flaschen Sekt alleine. Irgendwann war sie so betrunken, dass wir befürchteten, sie würde gegen den Holzofen fallen. Sie stolperte auch mehrfach über die Sektflaschen, die vor dem Tisch standen.
Irgendwann lallte sie noch, der Mann wurde immer stiller und meine Freundin sprach aus, was ich dachte: “Es ist jetzt echt schon spät und wir haben noch eine weite Heimfahrt, wir müssen jetzt gehen”. Martina wollte uns nicht gehen lassen und bettelte uns an, noch zu bleiben, aber es war uns wirklich langsam unheimlich dort. Wir bedankten uns für die Einladung und rannten regelrecht zum Auto. Wir waren froh, als wir wieder auf einer Bundesstrasse ankamen.
Meine Freundin sagte: “Das war echt schräg”. Dem war nichts hinzuzufügen. Martina hatte uns den halben Abend in der dritten Person mit “Die Mädle” angesprochen, obwohl wir beinahe gleich alt sind. Sie wollte kurz darauf noch, dass wir wieder zu ihr kommen, aber wir haben immer tausend Ausreden erfunden. Sie und ihr Mann sind wirklich nett, aber auch ein klitzekleines bissle merkwürdig. Irgendwann haben wir uns aber doch wieder breitschlagen lassen und fuhren zu ihr. Diesmal bei Tag. Wir waren auch nicht alleine, sondern in einer Gruppe mit anderen Leuten. Martina gab sich bei ihren Führungen wirklich grosse Mühe und es war auch sehr professionell und fundiert, was sie sagte. Dennoch blitzte immer mal wieder etwas seltsames hervor. Politische Aussagen, die wir befremdlich fanden, Weltanschauungen die nicht der unseren entsprach, Werte, die wir nicht teilten.
Auf dieser Wanderung war auch eine Frau dabei, die sehr esoterisch angehaucht war. Sie erschien in einer selbst gebatikten Haremshose und war barfuss. Sie war so hin und weg von der Veranstaltung, dass sie sich letztendlich auf einen Hügel setzte, mit weit ausgebreiteten Armen im Schneidersitz dasaß und lautstark bekundete, dass das der schönste Tag ihres Lebens wäre. Das gab uns den Rest und wir konnten seither weitere Begegnungen im Dunstkreis von Martina vermeiden.